Stephen R. Covey: Vier Generationen von Zeitmanagement

Dem Managementberater und Bestsellerautor Stephen R. Covey ist es zu verdanken, zu Lebzeiten auf grundlegende Fragen des Selbstmanagements hingewiesen zu haben. Dabei basiert sein Ansatz auf der vierten Generation des Zeitmanagements. Die vierte Generation des Zeitmanagements bildet die Basis für die Arbeit an persönlichen Zielen und Beziehungen und ist somit auch für professionelle Pflegekräfte von größerer Bedeutung.

Nachdem wir uns bereits mit den grundlegenden Prinzipien des Selbstmanagements und der Selbstpflege vertraut gemacht haben, werden wir in den nächsten Beiträgen näher auf die Techniken und Methoden des Selbstmanagements eingehen, deren Kenntnis und Anwendung gerade auch im Bereich der professionellen Pflege sehr hilfreich sein kann.

In der letzten Woche widmeten wir uns den grundlegenden Prinzipien des persönlichen Managements nach Stephen R. Covey. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie Sie durch produktives Selbstmanagement mehr Zeit in die Arbeit an Beziehungen investieren können, denn die Arbeit an Beziehungen ist gerade für die professionelle Pflege von besonderer Bedeutung.

Vor der Arbeit an Beziehungen steht allerdings die Arbeit an uns selbst. Das mag zunächst vielleicht etwas merkwürdig klingen. Betrachtet man jedoch diese Art von Arbeit auf der Basis der grundlegenden Prinzipien des Selbstmanagements nach Stephen R. Covey, so wird die Bedeutung dieser Arbeit an uns selbst ersichtlich. Diese Art von Arbeit basiert nämlich auf dem Weg von innen nach außen.

In der vergangenen Woche haben Sie ja bereits vor diesem Hintergrund die 7 Wege nach Covey kennengelernt. Insbesondere die ersten 3 Wege hängen viel mit unserer persönlichen Selbstwahrnehmung zusammen, mit unseren eigenen Gewohnheiten und Wertevorstellungen und deren Priorisierung.

Wenn wir in unserem Leben gewisse Dinge verändern bzw. eigene Visionen in die Tat umsetzen wollen, so sollten wir uns zunächst einmal genauer mit den ersten 3 Wegen nach Covey auseinandersetzen.

  • Der 1. Weg hängt mit unserer persönlichen Vision zusammen. Es geht darum, eine eigene Vorstellung von den persönlichen Zielen in der Zukunft zu gewinnen und diese so weit wie möglich mit den eigenen Gewohnheiten und Wertevorstellungen zu verknüpfen.
  • Der 2. Weg baut darauf auf und hängt mit den Prinzipien der persönlichen Führung zusammen: “Schon am Anfang das Ende im Sinn haben”. Wenn sie sich mit der Frage beschäftigen, was Ihnen wohl am Ende Ihres Lebens besonders wichtig sein wird, so gelangen Sie über diese Frage und Vorstellungsübung wahrscheinlich zu ganz anderen Antworten, als wenn Sie sich permanent nur mit der Planung, Priorisierung und Abarbeitung von operationalen Zielen und Aufgaben beschäftigen. Der Sinn dieser Übung besteht somit darin, zu dem Kern der eigenen Bedürfnisse und Wertevorstellungen zu gelangen und diese mit der persönlichen Leitvision zu verbinden. Die Anwendung von Techniken und Methoden des  Zeit- und Selbstmanagements bildet lediglich die Ergänzung dazu, kann aber niemals die tiefergehende Hinterfragung der eigenen Bedürfnisse und Wertevorstellungen ersetzen!
  • Der 3. Weg hängt mit den Prinzipien des persönlichen Managements zusammen: “Das Wichtigste zuerst tun”. Erst an dieser Stelle wird das Selbstmanagement im technischen Sinne überhaupt erst relevant. Warum?

Wenn sie nicht wissen, welche persönlichen Bedürfnisse und Wertevorstellungen für Sie besonders wichtig sind, nützt es auch nur vergleichsweise wenig, wenn Sie beispielsweise damit beginnen, für die Organisation Ihres Alltags zukünftig mehr und konsequenter mit Zeitplänen und Checklisten zu arbeiten. Der konsequente Einsatz derartiger Werkzeuge ist also nur dann sinnvoll, wenn Sie sich zuvor intensiver mit Ihren persönlichen Bedürfnissen und Wertevorstellungen auseinandergesetzt haben.

Wie verheerend es unter Umständen sein kann, die eigenen Bedürfnisse und Wertevorstellungen einfach außen vor zu lassen, habe ich Ihnen bereits in der vergangenen Woche an einem Beispiel aus der professionellen Pflege aufgezeigt.

Stellen Sie sich vor, dass Sie als professionelle Pflegekraft in einem Altenheim arbeiten. Stellen Sie sich weiterhin vor, dass Sie in den letzten Monaten innerhalb Ihrer Arbeit immer unzufriedener geworden sind. Dabei haben die berufsbedingten Anforderungen in dieser Zeit prinzipiell nicht zugenommen. Wenn Sie nun nur sehr wenig über Ihre persönlichen Bedürfnisse und Wertevorstellungen wissen, können Sie auch in der pflegerischen Praxis häufig gar nicht wirklich herausfinden, worin die eigentlichen Ursachen für eine zunehmende innere Unzufriedenheit eigentlich bestehen.

Lösen wir das Beispiel an dieser Stelle auf: Der Grund für die zunehmende innere Unzufriedenheit besteht darin, dass die professionelle Pflegekraft in unserem Beispiel nicht wirklich erkannt hat, dass die Unzufriedenheit mit dem persönlichen Wert der Offenheit zusammenhängt. Für die Person in unserem Beispiel stellt somit die Offenheit einen sehr wichtigen persönlichen Wert dar.

Vor einigen Monaten fand ein Führungswechsel innerhalb des Altenheimes statt, in der die Pflegekraft in unserem Beispiel arbeitet. Seit diesem Führungswechsel hat sich auch das Betriebsklima verändert. Probleme und Konflikte werden nämlich nicht mehr offen kommuniziert, sondern zunehmend mehr verdrängt. Für die Person in unserem Beispiel bahnt sich somit auch ein innerer Konflikt an, was die persönliche Wertevorstellung anbelangt. Der Wert Offenheit ist innerhalb dieser Organisation seit dem Führungswechsel nicht mehr von größerer Relevanz, spielt aber für die Person innerhalb unseres Beispiels eine zentrale Rolle.

Die vierte Generation des Zeitmanagements: Mehr Zeit für die Arbeit an Beziehungen

Nehmen wir an, dass Sie sich bereits ausreichend mit Ihren persönlichen Bedürfnissen und Wertevorstellungen befasst haben. Nehmen wir außerdem an, dass sie eine persönliche Vision entwickelt haben und diese nun in die Tat umsetzen wollen. Erst in dieser Phase macht eine intensivere Beschäftigung mit Techniken und Methoden des Selbst- und Zeitmanagements und deren Anwendung überhaupt erst Sinn.

Stephen R. Covey spricht in seinem Buch “Die 7 Wege zur Effektivität. Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg” in diesem Zusammenhang von den “Vier Generationen von Zeitmanagement”. Was ist darunter zu verstehen? Und welche Bedeutung hat die Kenntnis dieser Generationen für die Praxis in der Pflege – insbesondere für die Arbeit an Beziehungen?

In vielen Ratgebern zum Thema Zeitmanagement wird häufig einseitig auf Techniken und Methoden des Zeitmanagements verwiesen, etwa auf Fragen der Priorisierung von Aufgaben, auf den Einsatz von Zeitplänen und Checklisten usw. Dabei wird in den meisten Fällen allerdings vergessen, wie wichtig die grundlegenden Prinzipien des Selbstmanagements für den persönlichen Erfolg sind. Covey geht es dagegen darum, ein ganzheitliches Verständnis für derartige Prozesse zu entwickeln.

Worin bestehen die vier Generationen von Zeitmanagement?

  • Die erste Generation von Zeitmanagement lässt sich – nach Covey zufolge – nach Notizen und Checklisten charakterisieren.
  • Die zweite Generation ist durch Kalender und Terminplaner gekennzeichnet.
  • Die dritte Generation spiegelt den bis heute anhaltenden Trend, sich zunächst die Frage zu stellen, welche Ziele entweder als einzelne Person, als Organisation oder Institution mittel- bis langfristig verfolgt werden sollen. Die dritte Generation beinhaltet außerdem auch die Beschäftigung mit Werten, etwa wenn innerhalb eines Unternehmens eine Leitvision erarbeitet werden soll, die ohne die Reflexion von Werten nur wenig Sinn ergibt usw.
  • Die vierte Generation von Zeitmanagement beruht im Wesentlichen auf der Erkenntnis, dass es so etwas wie Zeitmanagement gar nicht geben kann. Streng genommen können wir Zeit überhaupt nicht managen. Denn wenn wir einmal von der messbaren Zeit der Uhren absehen – im Übrigen eine Erfindung der Moderne – ist keineswegs geklärt, was Zeit überhaupt ist. Keiner kann diese Frage genau beantworten: Nicht einmal der klügste Physiker oder Philosoph der Welt. Statt also von Zeitmanagement zu reden, sollten wir lieben von Selbstmanagement sprechen: es ist zumindest der bessere und passendere Begriff. In der vierten Generation von Zeitmanagement geht es vor allem um die Gestaltung von Beziehungen. Und genau diese Ansatz wird auch innerhalb dieser Serie zum Thema “Selbstmanagement in der Pflege” vertreten. Oder ist es Ihnen schon einmal in der Pflege geglückt, mit klassischen Methoden des Zeitmanagements Demenz erfolgreich zu managen?

Die nun folgende grafische Darstellung verweist auf die Methoden und Techniken des Selbstmanagements. Besonders hervorzuheben ist bei dieser Darstellung der Gedanke, dass effektive Menschen kaum Energie für Quadrant III und IV aufwenden, so Covey, also für solche Aufgaben wie Anrufe, E-Mails, Post usw.

Fragen sie sich einmal persönlich, wie viel Zeit und Energie Sie im professionellen Pflegealltag für die Quadranten III und IV aufwenden. Vielleicht mögen sie an dieser Stelle einwenden, dass man nicht immer im Job die Wahl hat, sich auf die Quadranten I und II zu konzentrieren, etwa wenn gerade Dokumentationsaufgaben anfallen, die an sich vielleicht nicht so wichtig sind, aber trotzdem so schnell wie möglich erledigt werden müssen.

Derartige Einwände sind sicherlich berechtigt. Dennoch haben wir in den meisten Fällen genügend Spielraum, um mit unserer Energie verantwortungsvoller umzugehen und diese nicht ständig zu vergeuden. Dies ist nicht nur eine Frage nach der Effizienz im professionellen Pflegealltag, sondern auch eine Frage der eigenen Lebensführung.

Was außerdem bei der hier gezeigten Zeitmanagement-Matrix für den Pflegebereich noch ganz entscheidend ist, ist die Tatsache, dass die Konzentration auf die Quadranten I und II dazu führt, dass Sie sich wesentlich mehr mit der Arbeit an Beziehungen beschäftigen können – was gerade für die Pflege von demenzkranken Menschen besonders relevant ist.

Quellenangabe zum Titelfoto:

Stephen R. Covey / Quelle: http://d28hgpri8am2if.cloudfront.net/author_images/169_4_hr.jpg

Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.

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Weiterführende Literatur:

  • Covey, S. R. (2012): Die 7 Wege zur Effektivität. Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg. Offenbach: Gabal.