Vorbeugung gegen Notstand: Interview mit Gabrielle Sieber

Menschen mit Demenz können im Laufe ihrer Krankheit drastisch an Körpergewicht verlieren. Im Interview mit der Ernährungswissenschaftlerin Gabrielle Sieber geht es um die Frage, wie Vorbeugung bei Ernährung aussieht, wenn grundlegende Funktionen außer Kraft gesetzt sein können.

Wenn es um Ernährung geht, laufen Demenzbetroffene gegenüber anderen Personen gleichen Alters eher Gefahr, in eine problematische Situation zu geraten. Im Laufe der Krankheit verlieren viele Betroffene stark an Körpergewicht. Dabei können die Gründe für den Verlust des eigenen Körpergewichts vielfältig sein: Es besteht an sich nur wenig Appetit aufgrund von depressiven Verstimmungen. Oder alte Essgewohnheiten können nicht mehr weiter fortgesetzt werden, weil die Demenz einen anderen Ernährungsstil erfordert. Zweilen werden auch einfach die falschen Therapien in der Lösung von problematischen Ernährungssituationen angesetzt.

Im Interview mit der Pflegewissenschaftlerin und Ernährungsexpertin Gabrielle Sieber sprach Detlef Rüsing (Leiter des Dialog- und Transfzentrum Demenz) über Hintergründe und Möglichkeiten, problematische Ernährungssituationen von Menschen mit Demenz besser zu verstehen und möglichst frühzeitig vorbeugend zu handeln, wenn sich erste Symptome für einen verschlechterten Ernährungszustand anbahnen. Wo liegen also die Hauptursachen für prekäre Ernährungssituationen bei Menschen mit einer Demenzerkrankung? Inwieweit ist dabei die Unterscheidung zwischen dem häuslichen und dem stationären Bereich von Relevanz? Und welche Schritte sind in der Praxis gefragt, um einer problematischen Ernährungssituation vorzubeugen?

Frau Sieber, Sie beschäftigen sich im Rahmen Ihrer Forschung  mit der Ernährungssituation Demenzerkrankter insbesondere in einem häuslichen Pflegesetting. Kann man sagen, dass Demenzerkrankte gegenüber anderen Personen gleichen Alters eher Gefahr laufen, in eine problematische Ernährungssituation zu geraten? Und wenn ja, betrifft dies nur das Risiko der Mangelernährung oder ist in diesem Zusammenhang auch die Gefahr einer Fettleibigkeit von Relevanz?

Das Wort “Mangelernährung” wird von Fachleuten sehr unterschiedlich verwendet und bis heute gibt es keine allgemein akzeptierte Definition von Mangelernährung im Alter. Grundsätzlich liegt immer dann eine Mangelernährung vor, wenn es zu einem Ungleichgewicht zwischen Nahrungszufuhr und Nährstoffbedarf, einer gestörten Nährstoffverwertung oder einem unkontrollierten Abbau von Körpersubstanz (etwa bei einem entzündlichen Prozess) kommt.

Probleme rund ums Essen und Trinken sind bei Menschen mit Demenz wesentlich mehr verbreitet als bei Menschen ohne Demenz. Bei vielen Demenzkranken findet sich schon früh im Verlauf der Erkrankung ein geringeres Körpergewicht respektive ein niedrigerer Body-Mass-Index sowie ein erhöhtes Risiko für eine Mangelernährung. Dabei ist zu beobachten, dass ein Teil der Betroffenen langsam, aber immer mehr an Gewicht verliert, der andere Teil dagegen sehr rasch. Zusätzlich konnte durch Langzeitstudien bestätigt werden, dass ein ungewollter Gewichtsverlust schon etwa zehn bis sechs Jahre vor der klinischen Diagnose der Demenz beginnen kann. Deshalb sollte bei einem unerklärlichen Gewichtsverlust immer an eine Demenzerkrankung gedacht werden. Im weiteren Verlauf der Erkrankung verlieren Menschen mit Demenz verglichen mit gleichaltrigen Menschen ohne Demenz bis viermal mehr an Körpergewicht.

Gibt es Daten und Zahlen zu Risiken und Auftreten von Mangelernährung bei Personen mit einer Demenzerkrankung?

Fast alle an Demenz erkrankten Menschen entwickeln im Verlauf der Erkrankung Ernährungsprobleme. Die Häufigkeit der Mangelernährung respektive des Risikos für eine Mangelernährung umfasst – je nach Demenzstadium, Gesundheits- und Lebenssituation – eine große Spanne. So wurde beispielsweise in einer Übersichtsarbeit mit insgesamt 2051 kognitiv beeinträchtigten Studienteilnehmer (unabhängig von der Lebenssituation und vom Stadium der Demenz), ein Risiko von 44 Prozent für Mangelernährung festgestellt. Das bedeutet, dass nicht einmal bei der Hälfte der Demenzkranken ein “normaler” Ernährungszustand vorlag.

Dass die Sorge für Mangelernährung bei Demenz wiederum begründet ist, zeigte eine aktuelle Erhebung bei 67 in Privathaushalten lebenden demenzkranken Menschen in Nürnberg, die über 65 Jahre waren. Erfasst mit dem Mini Nutritional Assessment Long Form (MNA® – LF) hatten 49 Prozent ein Risiko für Mangelernährung und 30 Prozent waren mangelernährt, wobei eine hochsignifikante Verschlechterung des Ernährungszustandes mit Fortschreiten der Demenz zu beobachten war. Ebenso zeigte sich mit Zunahme der kognitiven Beeinträchtigung eine signifikante Abnahme des Körpergewichtes.

Zur Erklärung: Das Mini Nutritional Assessment™ ist ein Fragebogen zur Bestimmung des Ernährungszustandes älterer Menschen. Dieser wurde von dem Nestlé Nutrition Institute während Studien in Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zwischen 1991 und 1993 entwickelt und validiert. Hier ein Beispiel zu einem solchen Bogen. Eine hochsignifikante Verschlechterung des Ernährungszutandes mit Fortschreiten der Demenz liegt statistisch betrachtet dann vor, wenn der Zufall zwischen der Verschlechterung des Ernährungszutandes und dem fortgeschrittenen Stadium einer Demenz weitgehend ausgeschlossen werden kann.

Worin liegen Ihrer Meinung nach die Hauptursachen für prekäre Ernährungssituationen bei Menschen mit einer Demenzerkrankung?

Im Gegensatz zu jüngeren Erwachsenen, bei denen eine Mangelernährung meist nur in Zusammenhang mit einer Erkrankung auftritt, sind die möglichen Ursachen für einen ungewollten Gewichtsverlust sowie für eine Mangelernährung bei einer Demenzerkrankung vielfältig und komplex. Neben den physiologischen Altersveränderungen und allgemein altersbedingten Risikofaktoren für eine Mangelernährung, kommen bei  Demenzkranken noch spezifische Ursachen hinzu. Auf der bio-medizinischen Ebene geht man beispielsweise davon aus, dass es durch den demenzassoziierten Abbau von Hirnsubstanz frühzeitig zu einer gestörten Appetitregulation sowie zu allgemein stoffwechselbedingten Veränderungen kommt.

Ohne genaue Kenntnisse über die Entstehung einer spezifischen Demenz und deren Verlauf zu haben, nimmt man an, dass erhöhte Entzündungsparameter (im Sinne eines entzündungsfördernden Zustandes) einen Einfluss auf die Mangelernährung haben können. Ein weiterer Risikofaktor, der häufig stark mit einem raschen Gewichtsverlust assoziiert wird, ist eine bei Beginn der Erkrankung bestehende Fettleibigkeit. Zudem spielt die kognitive Beeinträchtigung eine zentrale Rolle. Aufgrund von Aufmerksamkeits- und Orientierungsstörungen gestalten sich schon zu Beginn der Erkrankung solche an sich alltäglichen Handlungen, wie zum Beispiel Einkaufen und Kochen, schwierig.

Obendrein entwickelt fast jeder Demenzkranke zu einem gewissen Zeitpunkt im Krankheitsverlauf Verhaltensstörungen. So leiden Demenzkranke oft unter motorischer Unruhe oder Reizbarkeit und verbrauchen dadurch viel mehr Energie. Leiden sie hingegen unter Apathie zeigen sie kein Interesse an dem, was um sie herum geschieht und setzen die Aufforderung zum Essen und Trinken nicht um.

All diese Symptome verändern die Energiebilanz und gehen mit einem niedrigeren Body-Mass-Index respektive einer Mangelernährung einher. In der Spätphase einer schweren Demenz leiden gut 80 Prozent unter schwersten Essproblemen; vor allem Kau- und Schluckprobleme führen sehr rasch zu einer geringen Energieaufnahme.

Einseitige Ernährung ist in den meisten Fällen bei Demenz kein probates Gegenmittel …

Wo liegen die Unterschiede in Ernährungssituationen bei Menschen mit Demenz, je nachdem, ob sich diese im häuslichen oder stationären Bereich befinden?

Zunächst lässt sich bei dieser Frage anmerken, dass es einzelne Lebensereignisse gibt, die besonders stark auf die Ernährungssituation einwirken, wie etwa ein Wohnungswechsel, Verlust des pflegenden Ehepartners, Erkrankung und Unfall.

Im stationären Bereich belegen zahlreiche Studien, dass viele Demenzkranke während des Krankenhausaufenthaltes auffällig stark an Gewicht abnehmen und eine signifikante Verschlechterung ihres Ernährungszustandes erfahren. Ein Aufenthalt im Krankenhaus ist für Menschen mit Demenz eine Stresssituation und nicht selten reagieren sie mit einem herausfordernden Verhalten auch während den Mahlzeiten, indem sie beispielsweise die Nahrungszufuhr verweigern. Auf der anderen Seite ist bekannt, dass ein stressfreies Umfeld, eine anregende Unterstützung, viel Zeit, Empathie und eine konstante Bezugsperson die Nahrungsaufnahme und ein selbständiges Essen fördern. Die Verfügbarkeit von zeitlichen und personellen Ressourcen sind im Krankenhausalltag jedoch meistens sehr beschränkt, sodass die Tätigkeit “Essen eingeben” nur einen geringen Stellenwert einnimmt.

Im häuslichen Bereich sind insbesondere alleinlebende Demenzkranke für die Entwicklung einer Mangelernährung sehr gefährdet. Für Menschen mit Demenz ist der Erhalt ihrer Selbständigkeit von großer Bedeutung und sie möchten, so lange es geht, alles selber machen. Aus diesem Grunde versuchen sie, ihre Einschränkungen zu verbergen, um möglichst nicht mit den eigenen Defiziten konfrontiert zu werden, und nehmen dementsprechend von sich aus wenig bis keine Hilfe in Anspruch. Zudem werden Trinken, Essen und ein guter Appetit stark durch soziale Faktoren beeinflusst und gerade bei Alleinlebenden kommt die persönliche Interaktion während der Mahlzeit zu kurz. Daneben werden häufig auch im familiären Umfeld der Betroffenen Entscheidungen gegen deren Willen getroffen, die sich beispielsweise im negativen Sinne zu Lasten einer unausgewogenen Ernährung auswirken können.

Frau Sieber, versetzen wir uns einmal in die Lage der Pflegenden und Betreuenden von Menschen mit einer Demenzerkrankung: Was sind in Ihren Augen wichtige Schritte in der Praxis, um einer problematischen Ernährungssituation vorzubeugen? Und wie erkennt man eine solche sich anbahnende Situation?

Ohne akutes Geschehen entwickeln sich Ernährungsprobleme und eindeutige Zeichen einer Mangelernährung schleichend. Auch aus diesem Grund ist es für die pflegenden Angehörigen oder andere außenstehende Personen schwierig, erste Anzeichen eines veränderten Essverhaltens kritisch zu deuten und die Symptome einer Mangelernährung frühzeitig zu erkennen. Zudem wird ein langsamer progressiver Gewichtsverlust auch von professioneller Seite häufig als ein normaler Alterungsprozess bewertet.

Im Sinne von Präventionsstrategien gilt es, eine Mangelernährung im Verlauf des Krankheitsprozesses solange wie möglich zu verzögern. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist ein frühzeitiges und regelmäßiges Screening des Ernährungszustandes. Zur Erfassung einer Mangelernährung eignet sich für Menschen im Alter von 65 Jahren und älter, neben einem dokumentierten Gewichtsverlauf, beispielsweise das Mini-Nutritional-Assessment (MNA®); siehe dazu auch folgenden Link.

Die Leitlinie „Klinische Ernährung in der Geriatrie“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) definiert eine Mangelernährung als unbeabsichtigter Gewichtsverlust von

  • mehr als 5 Prozent in drei Monaten oder
  • mehr als 10 Prozent  in sechs Monaten oder
  • eine deutlich reduzierte Körpermasse (Fett- und Muskelmasse) bzw. ein Body-Mass-Index < 20 kg/m2 als kritisch.

Diese Grenzwerte sollten von allen betreuenden Personen ernstgenommen werden, damit frühzeitig leitliniengerechte ernährungstherapeutische Maßnahmen ergriffen werden können. Studien zeigen, dass ein Gewichtsverlust respektive eine Mangelernährung im frühen bis mittleren Stadium einer Demenz verhindert werden kann.

Manche Personen mit einer Demenz legen im Laufe des Tages in der Wohnung oder auf einem Wohnbereich einer stationären Einrichtung viele Kilometer zurück und setzten sich kaum zum Essen hin, da sie unter herausforderndem Verhalten des Laufens leiden. Allein aufgrund der übermäßigen Bewegung haben sie natürlich einen hohen Kalorienverbrauch, der unter Umständen zu Mangelernährung führen kann. Was raten Sie Pflegenden im Umgang mit diesem Personenkreis bezüglich der Essensgabe?

Auch bei demenzkranken Menschen mit einem erhöhten Drang nach Bewegung sind ein regelmäßiges Screening des Ernährungszustandes und die Kontrolle des Gewichtsverlaufes entscheidend. Bei einem auffälligen Screeningergebnis sollte ein 3-Tage-Ernährungsprotokoll angefertigt werden, um die Ernährungssituation abzubilden. Wenn genaue Angaben zum Körpergewicht in der Vergangenheit schwer zu erhalten sind, können Fragen nach zu weit gewordener Kleidung aufschlussreich sein.

Hinsichtlich Ernährungmaßnahmen haben die Erhöhung der oralen Kalorienzufuhr stets oberste Priorität. Als einfache Maßnahmen für eine ausreichende Energie- und Nährstoffzufuhr sollte zuerst versucht werden, durch kalorienreiche Haupt- und Zwischenmahlzeiten oder durch eine Anreicherung der Speisen mit energiereichen Lebensmitteln (unter anderem Sahne, Butter, Ei) die Kalorienaufnahme zu erhöhen. Ebenfalls hat sich für die Praxis das Ernährungskonzept „eat by walking“ kombiniert mit „finger food“ bewährt; es werden Imbiss-Stationen mit kleinen Speisehäppchen – etwa belegte Brote, Käsewürfel, Wurstscheiben, Früchte – eingerichtet. Davon profitieren insbesondere sehr unruhige Personen mit Demenz, die am Tisch nicht ausreichend essen und lieber herumwandern.

Kann eine ausreichende Essmenge trotz dieser Bemühungen nicht erreicht werden, können die Speisen mit Nährstoffkonzentraten (sogenannten Supplementen) ergänzt oder industriell hergestellte Trinknahrungen angeboten werden. Darüber hinaus sollten restriktive Diätvorschriften überprüft und gelockert werden.

Bleibt der Erfolg trotz derartiger Ernährungsmaßnahmen aus, wird gemäß der Leitlinie “Klinische Ernährung in der Geriatrie” die Anlage einer Ernährungssonde, unter Berücksichtigung des (mutmaßlichen) Patientenwillens, empfohlen. Dies allerdings nur für eine klar begrenzte Zeit zur Überbrückung einer Akutsituation.

… Denn auch Menschen mit Demenz sehnen sich in ihrer Ernährung nach Abwechslung …

In der Beschreibung Ihres aktuellen Forschungsprojektes  (http://www.nar.uni-heidelberg.de/juniorforscher/demenz/sieber.html) ist interessanterweise von einem „familiäre(n) Teufelskreis der Mangelernährung“ zu lesen. Was meinen Sie damit und wie kann unter Umständen ein solcher vermieden werden?

Eine bedarfs- und bedürfnisdeckende Ernährung demenzkranker Menschen erfordert mehr als ein bedarfsdeckendes Essensangebot. Demenzkranke Menschen beim Essen und Trinken zu unterstützen, ist eine anspruchsvolle und zeitintensive Aufgabe. Die Sorge um eine ausreichende Ernährung der demenzkranken Person, die Bemühungen um eine den vorhandenen Fähigkeiten angepasste Unterstützung und angenehme Atmosphäre am Esstisch erfordern von den pflegenden Angehörigen die volle Aufmerksamkeit, viel Geduld und Zeit. Eine einzelne Mahlzeit kann bis zu 40 Minuten dauern.

Nicht zuletzt müssen die pflegenden Angehörigen schmerzlich erleben, wie zentrale soziale Aspekte einer Mahlzeit – etwa familiäre Tischgespräche, das gemeinsame Genießen können – nach und nach verloren gehen. Darüber hinaus gibt es für die pflegenden Angehörigen auch bald kein unbeschwertes und zwangloses Miteinander-Essen im Restaurant oder mit Freunden. Der Verlust von allgemein erwarteten Verhaltensnormen bei Tisch wird in der Öffentlichkeit zu einer besonderen Belastung und die Betroffenen können sich ausgegrenzt und stigmatisiert fühlen. Folglich geht für die Angehörigen ein wesentliches Stück Lebensqualität verloren und sie können durchaus an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit geraten.

Im Kontext der Lebensqualitätsdiskussion für Menschen mit Demenz und den pflegenden Angehörigen ist es notwendig, eine Mangelernährung, die sich zentral mit der Funktionalität überschneidet, im Verlauf des Krankheitsprozess zeitlich zu verzögern. Für die Bewältigung dieses Ziels müssen gefährdete Demenzkranke und pflegende Angehörige früh identifiziert werden. Wünschenswert wäre für Betroffene und Betreuende – als Teil der Maßnahmen nach einer Diagnose – eine frühzeitige Beratung über Optionen und Grenzen einer ernährungstherapeutischen Unterstützung. Gerade vor dem Hintergrund, dass sowohl Demenzkranke wie auch die pflegenden Angehörigen Beratung und Hilfe nur zögerlich in Anspruch nehmen, ist hierbei zudem eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit des Hausarztes, des Neurologen und den betroffenen Personen erforderlich und zielführend.

Über den engeren Zusammenhang zwischen Betroffenen und Betreuenden hinaus, ist außerdem auch noch der demografische Wandel und die generelle Versorgungsstruktur bedeutsam. Angesichts des demografischen Wandels und der Wahrscheinlichkeit, dass das familiäre Pflegepotential aufgrund niedriger Geburtenraten, erhöhter Mobilität und Berufstätigkeit der Frauen abnehmen wird, werden wir in Zukunft vermehrt innovativ Versorgungsmodelle mit Alltagsnähe und Einbettung ins Wohnquartier benötigen. Dabei sollten im öffentlichen Raum Strukturen für gemeinsame Mahlzeitenmöglichkeiten für Menschen mit und ohne Demenz gefördert werden. Es gibt schon einige kreative Initiativen wie zum Beispiel demenzfreundliche Kommune, Kochkurse. Darüber hinaus wäre es zukünftig aber ebenso wünschenswert, wenn derartige Initiativen nachhaltig von Staat und Politik unterstützt werden. Letztendlich geht es in Zukunft um eine Gesamtstrategie in der Versorgung von Menschen mit Demenz, in der möglichst alle Gesellschaftsbereiche noch enger im Sinne von Quartieren miteinander verzahnt werden sollten.

Frau Sieber, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Detlef Rüsing – Leiter des Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) an der Universität Witten/Herdecke.

Quellen und weiterführende Literatur:

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  • Sieber, G. (2014). Ernährungssituation bei Demenz im häuslichen Umfeld: Eine Mixed Methods Research Studie.   Retrieved September 23, 2014, from https://repositorium.uni-osnabrueck.de/bitstream/urn:nbn:de:gbv:700-2014090512785/1/thesis_sieber.pdf.
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  • Wirth, R., Bauer, J. M., & Sieber, C. C. (2007). Cognitive function, body weight and body composition in geriatric patients. Z Gerontol Geriatr, 40(1), 13-20.

Quellenangaben zu den Fotos:

Foto: Lichteinfall / www.flickr.com

Foto: Mike Haufe / www.flickr.com

Foto: Tony Borrach / www.flickr.com

Profilbild Gabrielle Sieber

Dr. Gabrielle Sieber ist diplomierte Pflegefachperson und hat einen Doktorgrad in Pflegewissenschaft. Ihre Schwerpunkte in Lehre und Forschung sind „Ernährungssituation bei Demenz“ und „pflegende Angehörige demenzkranker Menschen“. Sie arbeitet als freiberufliche Lehrbeauftragte und Pflegeberaterin. Kontakt: cg.sieber@t-online.de.

Detlef Rüsing ist Pflegewissenschaftler und leitet das Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) an der Universität Witten/Herdecke. Rüsing verfügt ebenso über langjährige praktische Erfahrungen in der Alten- und Krankenpflege: Er hat dort über 16 Jahre gearbeitet. Seine Schwerpunkt liegt auf Theorie-Praxis-Transfer. Daneben ist er Herausgeber von “pflegen: Demenz. Zeitschrift für die professionelle Pflege von Personen mit Demenz”. Kontakt: detlef.ruesing@uni-wh.de.

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