Das Demenzei des Monats: Ihre Stimmen zum Thema Ernährung

Das Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) hat seit Ende 2013 vier Demenzeier veröffentlicht. In unserem fünften Demenzei wollten wir von Ihnen persönlich wissen, wie Sie in der Pflege von Menschen mit Demenz mit dem Thema Ernährung umgehen. Worin bestehen die größten Probleme? Und wie lassen sich diese lösen?

In dem Video-Diskussionsformat “Das Demenzei des Monats” werden zumeist brisantere und komplexere Themen aus der Welt der Demenzforschung vorgestellt. Bis dato gab es vier Demenzeier. Wir wollten in der Vergangenheit beispielsweise von Ihnen wissen, wie Ihre Meinung zum Thema Frühdiagnostik bei Alzheimer lautet. Oder wir fragten Sie, wie Sie mit Wahn, Halluzinationen und Lügen in der Pflege von Menschen mit Demenz verfahren. Gibt es tatsächlich Situationen in der Pflege, wo Lügen zulässig sind?

In unserem jüngstem Beitrag haben wir uns mit Ernährung auseinandergesetzt. Laut Studienlage sind die Gründe für Appetitstörungen in der Versorgung von Menschen mit Demenz häufig nicht bekannt. Man weiß also in vielen Fällen in der Pflegepraxis nicht genau, warum eine demenzkranke Person unter Essstörungen leidet. Es stellt sich etwa die Frage, ob der mangelnde Appetit auf Schluckstörungen zurückzuführen ist, oder einfach nur damit zusammenhängt, dass eine Pflegekraft, welche die Nahrung verabreicht, als unsympathisch empfunden wird.

Bevor wir jetzt näher auf Ihre persönlichen Erfahrungen und Meinungen zu sprechen kommen, die uns im Anschluss an unser Diskussions-Video zum Thema Ernährung zugesendet worden sind, noch ein kleiner Hinweis.

Neben einer Vorankündigung, einem Video und der Auswertung der Diskussion zu diesem Video haben wir seit unserem letzten Demenzei zum Thema Depression die Logik unseres Formats ein wenig geändert. Zu den einzelnen Schwerpunkten gibt es ab sofort weitere Beiträge zur Vertiefung. Bei unserem neuesten Thema etwa einen sehr empfehlenswerten Grundlagenbeitrag: Essen und Trinken bei Demenz: Basisvoraussetzungen.

Ihre Stimmen zum Thema Ernährung bei Demenz

Wir hatten Ihnen vorab in unserem Diskussions-Video zwei Fragen gestellt:

  1. Worin besteht für Sie das größte Problem bei der Ernährung von Menschen mit Demenz?
  2. Welche Erfahrungen haben Sie in der Lösung von spezifischen Problemen bei gestörtem Essverhalten gemacht?

Die Frage, was ich über eine Person weiß, die Probleme bei der Ernährung hat, scheint von zentraler Bedeutung zu sein. “Wenn unbeliebte Lebensmittel nicht bekannt sind, kann das vor allem mit zu wenig Biographiewissen zusammenhängen.”

Wer Ursachenforschung betreiben will, wenn es um gestörtes Essverhalten geht, braucht allerdings vor allem eins: Zeit! So schrieb uns etwa eine Frau zu dieser Problematik: “Dass uns in der Akutklinik aufgrund der kurzen Verweildauer gar nicht die Zeit bleibt, verschiedene Herangehensweisen an einer Person auszuprobieren”, stellt ein großes Problem dar.

Für die Diagnose können zudem sicherlich auch Informationen hilfreich sein, die wir von Angehörigen einer Person erhalten, die an Demenz erkrankt ist. Hierzu schreibt dieselbe Frau: “Von Seiten der Angehörigen erhalten wir zu selten brauchbare Informationen, was das Essverhalten anbelangt. Häufig ist das problematische Essverhalten auch zu Hause ein riesiges Problem und Angehörige haben dementsprechend noch keine Strategie entwickelt, wie sie positiv auf dieses Problem einwirken können. Was außerdem häufig unerkannt bleibt, ist die Dysphagie (bedeutet “Schluckstörung”; Anm. der Redaktion). Sie nehmen zwar Husten und Räuspern wahr, führen das aber nich auf eine Schluckproblematik zurück. Das bedeutet, dass Pflegende häufig die ersten sind, die mit der Familie überhaupt über mögliche Strategien nachdenken. Das Einüben von Strategien würde also in der Klinik beginnen, führt aber dort noch nicht unbedingt zu einem sichtbar besserem Essverhalten.”

Bei unserer zweiten Fragen, nämlich der Frage nach konkreten Lösungsansätzen bei gestörtem Essverhalten, erhielten wir unter anderem folgende Antworten:

“Es hilft, wenn die Pflegekraft sich auch einen Teller nimmt und ein wenig mitisst. Wenn alle essen, ist man ja quasi automatisch mit. Früher wurde ganz besonders darauf geachtet, dass alle zusammen essen. Das zeigt der dementen Person ein vertrautes Bild und lädt zum Essen ein.”

In der “wissenschaftlichen” Variante:

“Systematische Bestimmung der einschränkenden und der fördernden Faktoren: In der Pflegeanamnese (bedeutet “sich erinnern”; Anm. der Redaktion) Essverhalten und Essprobleme erkannt und benannt. Schluckakt bestenfalls vom Hals-Nasen-Ohren Arzt überprüft, oder von der Logopädischen Seite her beurteilt (bedeutet “Sprecherziehung”; Anm. der Redaktion), am besten in einer Schlucksprechstunde von beiden (siehe dazu etwa folgenden Link; Anm. der Redaktion). Nahrung daraufhin gemeinsam mit dem Betroffenen aufgenommen, alternativ mit Angehörigen oder im Pflege- und Betreuungsteam bei einer Fallbesprechung ausgewählt.”

Ausblick

In diesem Jahr wird es noch ein weiteres Demenzei geben. Das Thema: Angst. Empfehlen Sie uns außerdem in Ihren sozialen Netzwerken weiter und sprechen Sie mit anderen Menschen über das Thema Ernährung. Wir freuen uns schon jetzt auf die nächste Diskussion mit Ihnen!

Quellenangabe zu Titelfoto:

Foto: Rudolf Vlcek / www.flickr.com

Detlef Rüsing ist Pflegewissenschaftler und leitet das Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) an der Universität Witten/Herdecke. Rüsing verfügt ebenso über langjährige praktische Erfahrungen in der Alten- und Krankenpflege: Er hat dort über 16 Jahre gearbeitet. Seine Schwerpunkt liegt auf Theorie-Praxis-Transfer. Daneben ist er Herausgeber von “pflegen: Demenz. Zeitschrift für die professionelle Pflege von Personen mit Demenz”. Kontakt: detlef.ruesing@uni-wh.de.

Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.

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