Die Geschichte vom Hammermann: Wirkungsvolle Methoden gegen Stress

Stress kann glücklich machen, aber auch zu echter emotionaler Überforderung führen. Es gibt unzählig viele Ratschläge und Tipps zu der Frage, wie sich negativer Stress bewältigen lässt. Deshalb haben wir für Sie einmal in der Wissenschaft nachgehorcht: Welche Methoden sind wirklich wirkungsvoll, wenn Geist und Körper häufiger streiken?

Es gibt eine wirklich bedenkenswerte Geschichte von Paul Watzlawick zu der Frage, welche Methoden wirklich gegen Stress helfen. Stressige Situationen im Berufsalltag kennen wir alle nur zu Genüge. Das Gespräch mit einzelnen Patienten bereitet uns zunehmend mehr Kopfschmerzen, die Stimmung in unserer Abteilung im Krankenhaus befindet sich gerade am Tiefpunkt. Aufgrund von zu viel negativen Stress sind alle so überspannt und so absolut leicht zu reizen. Das ist doch eigentlich echtes Gift für das Klima untereinander! Oder?

Sie alle könnten jetzt wahrscheinlich ganz problemlos weitere Stressgeschichten aus Ihrem persönlichen Berufsalltag in der Pflege oder anderen Gesundheitsbereichen zum Besten geben. Der entscheidende Punkt bei all diesen Geschichten ist aber folgender: Stress entsteht zumeist zuallererst in unserem Kopf. Und es gibt Methoden, die wissenschaftlich überprüft worden sind, mit denen man Überlastung auf wirkungsvolle Weise mental lösen kann.

Paul Watzlawick: Die Geschichte vom Hammermann

Eine der bemerkenswertesten Geschichten zu dem Thema Stress im Kopf stammt meiner Meinung nach von dem Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick. Watzlawick erzählt uns eine an sich tragische Geschichte mit ganz viel Humor: nämlich die Geschichte vom Hammermann. Und jeder von uns kennt diesen Hammermann wahrscheinlich schon aus seinem eigenen Alltag; zumindest in der weniger drastischen und zugespitzten Variante.

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Vielleicht hat er die Eile nur vorgeschützt, und er hat was gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts getan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht´s mir wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er “Guten Tag” sagen kann, schreit ihn unser Mann an: “Behalten Sie Ihren Hammer”.

(aus Paul Watzlawick: Anleitung zum unglücklich sein.)

Und das sagt die Wissenschaft: Welche Methoden helfen nachweislich gegen Stress?

In einem anderen Beitrag zum Thema Stress hatte ich vor einer Woche auf ein Video verwiesen: “Most Important Thing You Can Do For Your Stress” (zu Deutsch: “Die wichtigsten Dinge, die Sie bei Stress unternehmen können”). In diesem Video, das ich unterhalb dieses Absatzes noch einmal angefügt habe, wird auf sehr anschauliche Weise dargelegt, wie komplex die Ursachen für zu viel Stress sein können.

Auch in diesem Video wird aufgezeigt, dass Stress in den meisten Fällen zuallererst in unserem Kopf entsteht; ganz egal, ob der Stress durch unser nächstes Umfeld im Beruf ausgelöst worden ist oder durch soziale Beziehungen in unserem familiären Kontext. In solchen Fällen können wir bis zu einem gewissen Grad selbst bestimmen, inwieweit wir uns durch solche Situationen und Einflussfaktoren stressen lassen.

Die Frage lautet: Wie bewerten wir einzelne Situationen, einzelne Gefühle, die in uns in bestimmten Situationen hochkommen? Das ist vergleichbar mit Regiearbeit auf der mentalen Ebene: Inwieweit sind wir dazu in der Lage, uns nicht zu stark von negativen Emotionen und Affekten lenken zu lassen? Das hat auf der Gegenseite immer auch etwas mit Fokussierung, Aufmerksamkeit und Entspannung zu tun. Nur durch derartige Strategien sorgen wir für mehr Klarheit in unserem Kopf und eben nicht durch permanente Ablenkung und Zerstreuung. Dies gilt umso mehr, wenn wir als professionelle Pflegekräfte häufiger mit Menschen mit Demenz zu tun haben, die alleine schon wegen ihrer Krankheit “zerstreuter” sind.

Die “Rational-Emotive Therapie” (RET)

Diese Art von Therapie, deren Wirksamkeit auch wissenschaftlich überprüft worden ist, gehört zu den ältesten verhaltenstherapeutischen Ansätzen. Sie gehört zu den psychologischen Verfahren und ist sowohl gesprächs- als auch verhaltensorientiert. Mehr über diese Methode erfahren Sie hier: Die Rational-Emotive Therapie (RET).

Mit Sie mich jetzt hier nicht falsch verstehen: Ich unterstelle niemandem von Ihnen, dass er/sie eine Therapie bräuchte. Jedoch bin ich der Meinung, dass jeder von uns im Berufsalltag – insbesondere in der Pflege und anderen Gesundheitsberufen – Situationen kennt, die eine größere emotionale Belastung darstellen, und die zum Teil auch häufiger auftreten. In manchen Fällen können wir von einem Muster sprechen. Darunter verstehe ich beispielsweise häufig wiederkehrende negative Emotionen im Umgang mit Menschen mit Demenz, die uns mental stark belasten und somit ständig Stress bewirken. Die Frage kann dann in derartigen Situationen darin bestehen, genauer zu hinterfragen, auf welche Art wir solchen Situationen “kopfmäßig” begegnen.

Unterschiedliche Ansätze aus dem Methodenkoffer der Kognitions- und Verhaltenspsychologie können uns bei der Lösung von negativen Schleifen in unserem Kopf helfen, die ebenso stark auf unser Verhalten einwirken und somit auch auf die Physiologie. So hängen beispielsweise auch “Herz und Vernunft” zusammen. Ein klarer Zusammenhang: Bei Stresszuständen, Angstgefühlen, Depressionen oder Zorn wird der Rhythmus des Pulses ungleichmäßig, “chaotisch”. Wohlbefinden, Mitgefühl und Dankbarkeit führen dagegen zu gleichmäßigen Pulsveränderungen, zur “Kohärenz”. Wer diesen Zusammenhang noch genauer für sich erforschen will, dem kann ich folgende Lektüre nur wärmstens empfehlen: David Servan-Schreiber: Die Neue Medizin der Emotionen.

Die “Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie” (MBCT)

Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie ist ein neuartiges psychotherapeutisches Verfahren, das als Gruppentraining zumeist über acht Wochen angeboten wird. Dabei wurde die Effektivität dieses Therapieansatzes mittlerweile international in zahlreichen klinischen Studien überprüft. Das achtwöchige, in Gruppen durchgeführte Programm, kombiniert intensives Training von Achtsamkeitsmeditation nach dem Vorgehen des von Jon Kabat-Zinn eingeführten und mittlerweile weltweit verbreiteten achtsamkeitsbasierten Stress-Reduktionsprogramms (Mindfulness-Based Stress Reduction, MBSR).

Einsatzgebiete dieses Stress-Reduktionsprogramms sind unter anderem das Gesundheitswesen, die Prävention, die Therapie, die Rehabilitation und Bildungseinrichtungen.

Hinsichtlich der gesundheitsfördernden Wirkung von MBSR zeigt sich in zahlreichen wissenschaftlichen Studien:

  • Das körperliche und mentale Wohlbefinden kann sich verbessern.
  • Stresssituationen können erfolgreicher bewältigt werden.
  • Als angenehmen Nebeneffekt kann sich die Entspannungfähigkeit erhöhen.
  • Selbstvertrauen und Akzeptanz können ansteigen.

Mehr über diese Methode erfahren Sie hier: Achtsamkeit: Was ist das?

Die “Kognitive Verhaltenstherapie” (KVT)

Diese Art von Verhaltenstherapie konzentriert sich – wie der Name schon sagt – auf die Wahrnehmung (Kognition) sowie auf das Verhalten – Ihr Handeln! Im oberhalb dieses Abschnitts angefügten Video wird ganz praktisch dargelegt, was unter dieser Art von Therapie zu verstehen ist, und in welchen Fällen es Sinn mach, diese Therapie anzuwenden. Die Wechselwirkungen von Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen sind der Kern der Kognitiven Verhaltenstherapie.

Dabei geht es bei dieser Therapie nicht darum, sich kurzfristig besser zu fühlen, sondern negative Verhaltensweisen (und damit auch negative Gedanken) mittel- bis langfristig immer weiter abzustellen, also möglichst dauerhaft positive kognitive Effekte zu erzielen. In gewisser Hinsicht stellt die Kognitive Verhaltenstherapie die moderne Fortführung der Rational-Emotive Therapie dar, wenn auch mit etwas anderen Schwerpunkten. Sie ist beispielsweise weniger gesprächsorientiert und mehr auf das eigene Verhalten und Gedanken konzentriert. Sie wurde ebenso wie die Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie in zahlreichen wissenschaftlichen Studien auf ihre Wirksamkeit hin überprüft.

Anwendungsbeispiele für die “Kognitive Verhaltenstherapie” sind:

  • Aggressionsstörungen
  • Chronische Schmerzen
  • Depression
  • Panikattacken
  • Ständige Besorgnis

Mehr über diese Methode erfahren Sie hier: Die Grundlagen der Kognitiven Verhaltenstherapie

Und darum geht im nächsten Beitrag: Kognitive Verhaltenstherapie für Dummies

Kennen Sie die “für Dummies”-Reihe? Einige Bücher aus dieser Reihe sind wirklich empfehlenswert, etwa “Kognitive Verhaltenstherapie für Dummies” von Rob Willson und Rhena Branch. Genau mit diesem Buch sowie einen Tagebuch als Begleiter werden wir uns in dem nächsten Beitrag aus dieser Reihe beschäftigen: eine Doppelbesprechung.

Empfehlen Sie uns in Ihren sozialen Netzwerken weiter und sprechen Sie mit anderen Menschen über Ihre Stresserfahrungen. Was war beispielsweise Ihr letzter Hammermann im Kopf, über den Sie heute lachen können?

Quellenangabe zum Titelfoto:

Foto: Noel Hankamer / www.flickr.com

Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.

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