Antipsychotika wie Risperidon können bei Wahn und Halluzinationen kurzfristig helfen. Langfristig steigt allerdings das Risiko, dass Menschen mit Demenz ein Hirninfarkt bekommen. Da Pflegende dokumentieren, wie derartige Medikamente im Alltag wirken, tragen sie eine Mitverantwortung: Welche Medikamente helfen bei herausfordernden Verhaltensweisen und mit welchen Wirkungen ist zu rechnen?
Es gibt “Leitlinien für Diagnostik und Therapien in der Neurologie”, die auch professionell Pflegende kennen sollten, die Menschen mit Demenz versorgen. Ich habe Ihnen einen Link zu diesen Leitlinien im Anhang zu diesem kurzen Übersichtsartikel beigeheftet. In diesen Leitlinien wird auch der Einsatz von Medikamenten im Umgang mit Depressionen, Wahn und Halluzinationen sowie Apathie und Schlafstörungen noch wesentlich detaillierter behandelt.
Im Folgenden eine Liste mit 10 Erkenntnissen zu der Verabreichung von Medikamenten:
- Anders als bei Alzheimer gibt es nur wenig wissenschaftliche Hinweise auf die Wirksamkeit von Medikamenten in der Versorgung von Menschen mit Demenz, die an einer frontotemporalen Demenz leiden und zudem Verhaltenssymptome im Bereich der Agitiertheit, Depressivität und Essstörungen aufweisen.
- Auch für die antidementive Behandlung der Lewy-Körperchen-Demenz existiert keine zugelassene oder ausreichend belegte Medikation.
- Vor dem Einsatz von Psychopharmaka bei Verhaltenssymptomen sollte ein psychopathologischer Befund erhoben werden. Die medizinischen, personen- und umgebungsbezogenen Bedingungsfaktoren müssen identifiziert und soweit wie möglich behandelt werden.
- Das Risiko in der Gabe von Antipsychotika, die beispielsweise bei Wahn und Halluzinationen verabreicht werden, ist vor allem in der Langzeitbehandlung besonders hoch. Anders formuliert: Antipsychotika wie Risperidon können bei Wahn und Halluzinationen in der Versorgung von Menschen mit Alzheimer kurzfristig zum Abbau von Psychosen führen, während eine längerfristige Behandlung mit solchen Medikamenten nicht zu empfehlen ist, da die Langzeitbehandlung unter anderem zum Hirninfarkt führen kann.
- Benzodiazepine werden häufig bei älteren Menschen verordnet. Die Anwendung bei Menschen mit Demenz ist problematisch wegen der negativen Effekte auf die Kognition, der Erhöhung der Sturzgefahr, sowie möglicher paradoxer Reaktionen, welche bei plötzlichem Absetzen mit der Gefahr eines Delirs verbunden ist. Wenn überhaupt sollten Benzodiazepine bei speziellen Indikationen kurzfristig eingesetzt werden.
- Nach diagnostischer Abklärung kann ein Delir bei Demenz mit Antipsychotika behandelt werden. Antipsychotika mit anticholinerger Nebenwirkung sollten vermieden werden.
- Es gibt Hinweise für die Wirksamkeit einer medikamentösen antidepressiven Therapie bei Patienten mit Demenz und Depression. Bei der Ersteinstellung und Umstellung sollten trizyklische Antidepressiva aufgrund des Nebenwirkungsprofils nicht eingesetzt werden.
- Wenn zur Behandlung von agitiertem und aggressivem Verhalten Antipsychotika erforderlich werden, dann sollte Risperidon bevorzugt werden.
- Aripiprazol kann aufgrund seiner Wirksamkeit gegen Agitation und Aggression als alternative Substanz empfohlen werden.
- Bei schwerer psychomotorischer Unruhe, die zu deutlicher Beeinträchtigung des Betroffenen und/oder der Pflegenden führt, kann ein zeitlich begrenzter Therapieversuch mit Risperidon empfohlen werden.
Für die Vertiefung empfehle ich Ihnen darüber hinaus, sich die “Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie” im Internet genauer anzuschauen. Dort werden auch weitere Medikamente genannt, die im Zusammenhang mit herausfordernden Verhaltensweisen verabreicht werden können.
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Weiterführende Literatur und Internet-Quellen:
- Deuschl G, Maier W et al. S3-Leitlinie Demenzen. 2016. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: https://www.dgn.org/leitlinien/3176-leitlinie-diagnose-und-therapie-von-demenzen-2016
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Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.