Der ganz normale Wahnsinn: Buchbesprechung

Wie können wir uns am besten mit schwierigen Menschen arrangieren? Dieser Frage gehen die beiden französischen Psychologen Christophe André und François Lelord in ihrem empfehlenswerten Buch “Der ganz normale Wahnsinn. Vom Umgang mit schwierigen Menschen” nach. Eine Frage, die sicherlich auch für professionell Pflegende im Umgang mit Menschen mit Demenz von Bedeutung ist.

In der Pflege von Menschen mit Demenz werden wir recht häufig mit Verhaltensweisen konfrontiert, die wir möglicherweise nicht nachvollziehen können. Dazu gehören das Umherwandern während der Nacht, plötzliche aggressive Ausbrüche oder apathisches Verhalten. Menschen mit Demenz sprechen dann einfach nicht mehr mit uns.

All diese Verhaltensweisen haben zum Teil etwas mit der Krankheit zu tun, mit den Veränderungen, die Menschen durchmachen, wenn sie beispielsweise an Alzheimer erkranken. Auf der anderen Seite geht es aber auch um die spezifische Persönlichkeit eines Menschen hinter der Krankheit, die bei einer Demenz wie Alzheimer stärker zum Vorschein kommen kann. Eine solche Persönlichkeit könnte etwa ein Mensch sein, der “Verhaltensweisen vom Typus A” an den Tag legt, wie sie in dem Buch “Der ganz normale Wahnsinn. Vom Umgang mit schwierigen Menschen” von den beiden französischen Psychologen Christophe André und François Lelord auf unterhaltsame und informative Art beschrieben werden.

Die Verhaltensweisen vom Typus A und anderer ganz normaler Wahnsinn

Unter den Verhaltensweisen vom Typus A verstehen wir Personen, die sehr ungeduldig sind. Stellen Sie sich etwa folgende Person vor, Luc (36), leitender Angestellter in der Handelsabteilung eines Telekommunikationsunternehmens. Luc ist extrem ungeduldig und unterbricht seine Mitarbeiter sehr häufig. Außerdem verträgt er es nicht, wenn ihm jemand widerspricht. In solchen Fällen widerspricht er solange, bis die andere Person ihre Position aufgibt. Jetzt stellen Sie sich einfach weiter vor, dass eine solche Person wie Luc eines Tages an Alzheimer erkrankt. In diesem Fall kann es sein, dass sich seine Ungeduld noch weiter verstärkt, weil nun die kognitiven Barrieren fallen. Da wo Luc also seine Ungeduld zuvor noch – zumindest in manchen Situationen des Alltags – bewusst kontrolliert hat, wird seine Ungeduld nunmehr durch den Ausbruch der Krankheit noch wesentlich unmittelbarer ausgelebt.

Obwohl es in dem Buch von André und Lelord weder explizit um Menschen mit Demenz geht, noch um den Umgang mit schwierigen Personen in der Pflege, möchte ich das Buch dennoch allen professionell Pflegenden und sonstigen Personen aus dem Gesundheitsbereich wärmstens empfehlen. Auch für Pflegende, die Literatur zum Umgang mit Menschen mit Demenz suchen, lohnt sich die Lektüre alleine schon deshalb, weil man sich über das Buch auch stärker mit den eigenen Persönlichkeitsmerkmalen auseinandersetzt.

So werden insgesamt zehn problematischere Persönlichkeiten beleuchtet: unter anderem “Die ängstlichen Persönlichkeiten” “Die narzisstischen Persönlichkeiten”, “Die depressiven Persönlichkeiten” und “Die selbstunsicheren Persönlichkeiten”. Am Ende eines jeden Kapitels folgt dann zu diesen Persönlichkeiten ein Test, wo Sie selber herausfinden können, ob Sie etwa Züge einer ängstlichen Persönlichkeit aufweisen. So werden Ihnen beispielsweise folgende Aussagen präsentiert: “Sorgenvolle Gedanken hindern mich oft am Einschlafen” oder “Manchmal fühle ich mich angespannt, ohne zu wissen warum”.

Entscheidend ist für mich bei der Lektüre dieses Buches, dass wir durch die Reflexion von verschiedenen schwierigen Persönlichkeiten auch genauer erkennen, wo wir selber Züge einer solchen Persönlichkeit in uns tragen. Dabei ist diese wechselhafte Art der Reflexion gerade in der Pflege von Menschen mit Demenz grundlegend: Erkennen dich selber über die andere Person! Denn wenn wir besser verstehen wollen, wie beispielsweise ein Mensch mit Demenz, der zusätzlich depressiv ist, die Welt betrachtet, sollten wir in uns selber hineinhorchen und uns fragen: Wo bin ich vielleicht selber zuweilen depressiv? Wo fehlt es auch mir (gelegentlich) an Energie und Zuversicht?

Es geht somit um mehr Verständnis für “schwierige Personen” bei gleichzeitiger Distanz. Und zu der Distanz gehört auch das Aufzeigen von Grenzen. So kann es beispielsweise im Umgang mit narzisstischen Personen Sinn machen, einer solchen Person zuweilen auch bewusst die Grenzen aufzuzeigen, indem man ihnen etwa “die Reaktionen der anderen” aufzeigt, wie André und Lelord in ihrem Buch schreiben.

“Ist es Ihnen erst einmal gelungen, das Vertrauen einer narzisstischen Persönlichkeit teilweise zu gewinnen, werden Sie oft ihre Klagen über andere Personen anhören müssen. Sie wird Ihnen anvertrauen, wie mies, dumm und bösartig die Leute sind (…) Manchmal können Sie ihr helfen, indem Sie ihr den Standpunkt des anderen erläutern, so wie Sie ihn verstehen” (André, Lelord 2014: 137).

Notwendige Veränderungen im Umgang mit schwierigen Menschen

André und Lelord geben in ihrem Buch auch ganz praktische Tipps, was wir unternehmen können, um den Umgang mit schwierigen Menschen einfacher zu gestalten.

Eine Kostprobe: Wenn wir häufiger mit einer Person zu tun haben, die depressive Züge aufweist, stellen Sie ihr am besten solche Fragen, die ihr Interesse auf das Positive lenkt. Oder beziehen Sie diese Person in angenehme Aktivitäten mit ein, so dass dieser Mensch erst gar nicht wieder ins Grübeln kommt. Zeigen Sie dieser Person außerdem gezielt ihre Wertschätzung. Solche Ratschläge sind natürlich nicht als pauschale Rezepte zu betrachten, können aber zuweilen in der passenden Situation durchaus wichtig sein!

Neben diesen Tipps und der grundlegenden Beschreibung von zehn schwierigen Persönlichkeiten auf der Basis von wissenschaftlicher Literatur und praktischen Erfahrungen der beiden Autoren als Psychotherapeuten umfasst das Buch außerdem die Frage, inwieweit ein Zusammenhang zwischen Persönlichkeiten und Krankheiten besteht, welche medikamentösen Therapien neben anderen Interventionen in Frage kommen können, und wo man die einzelnen Persönlichkeiten ansonsten in prominenter Form in Film und Literatur entdecken kann.

Fazit

Ich kann das Buch “Der ganz normale Wahnsinn. Vom Umgang mit schwierigen Menschen” von Christophe André und François Lelord wärmstens empfehlen, auch wenn es hier nicht direkt um Pflege und Menschen mit Demenz geht. Aber gerade im Gesunheitssektor werden wir immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie wir den Umgang mit zum Teil schwierigen Menschen besser und angenehmer gestalten können – sei es bedingt durch die Krankheit und/oder die jeweiligen persönlichen Merkmale einer Person, mit denen wir konfrontiert werden, wenn wir diese Personen versorgen.

Ansonsten lernen wir in diesem Buch auch noch weitere Persönlichkeiten besser kennen, die man häufiger in Führungspositionen im Gesundheitssektor antrifft, etwa Chefärzte mit einer starken narzisstischen Persönlichkeit, oder Führungspersonen im Pflegebereich, die ungeduldig und ungehalten werden, wenn Mitarbeiter ihnen häufiger widersprechen, wie “Die Verhaltenweisen vom Typus A”. Auch in solchen Fällen gibt uns dieses Buch viele wertvolle und kluge Ratschläge mit auf dem Weg, damit wir unsere Kommunikation im Gesundheitssektor in Zukunft weniger stressfrei gestalten können!

Das Buch “Der ganz normale Wahnsinn. Vom Umgang mit schwierigen Menschen” Christophe André und François Lelord ist 2014 in der 14. Auflage im Aufbau Verlag erschienen. Hier der Link zum Buch.

Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.

Kommentar verfassen