Mehr Qualität in der der Praxis: Sechs Tipps für den Umgang mit depressiven Patienten

Was sollten professionell Pflegende im Umgang mit depressiven Patienten beachten? In diesem Beitrag gibt der Demenzexperte Christian Müller-Hergl sechs konkrete Tipps.

1. Sprechen Sie die gesunden Anteile im depressiven Gegenüber an

Was macht die Person gerne? Welche Dinge sind noch nicht von der Depression überformt? Was können wir noch miteinander machen, und wie kann ich das tun, ohne dass es überfordert oder unterfordert und dadurch die Depressivität wieder verstärkt? Das sind wichtige Fragen, die Sie sich immer wieder stellen sollten, um die gesunden Anteile im depressiven Gegenüber anzusprechen.

2.  Stellen Sie eine tragfähige Beziehung her

Wie wird eine Beziehung tragfähiger? Das gelingt am besten, wenn man sich mit dem anderen wechselseitig in gemeinsamen Aktionen abstimmt, zum Beispiel beim Anziehen, beim Essen oder beim Waschen. In diesen Situationen geschehen viele parallele Bewegungen. In der Psychologie wird in diesem Zusammenhang auch von Affektsynchronisierungen gesprochen, so wie es auch Mütter mit ihren Kindern tun.

3. Helfen Sie den Menschen mit den Verlusten im Alter umzugehen

Wie ist es möglich, mit Verlusten im Alter besser umzugehen? Dies gelingt z. B. durch eine möglichst positive Rekonstruktion der eigenen Lebenserzählungen, bei der man sich vor allem auf die erfolgreichen und schönen Dinge im Leben fokussiert und den Kranken damit immer wieder in Kontakt bringt, zum Beispiel indem man sagt: “Ich möchte noch mal zurückkommen, gestern haben wir über Ihre Kinder gesprochen.“ Oder: “Ich finde, da haben Sie Großartiges in Ihrem Leben geleistet“.

4. Seien Sie tolerant

Über die häufig mangelnde Körperpflege muss man nicht hinwegsehen, aber man sollte sie auch nicht zum Kampfplatz machen. Man kann sie immer wieder ansprechen, aber man muss auch das Verhalten tolerieren, wenn sich jemand längere Zeit nicht pflegt.

 5. Achten Sie auf körperliche Zuwendung

Viele Menschen mit Depression sind sehr lange nicht mehr berührt worden. Berührungen kann man ihnen vielleicht über den medizinischen Weg wieder zuführen als Massagen, Einreibungen oder Fußzonenreflexmassagen. Das sind körperliche Zuwendungen, die aus einem gemeinsamen Tun und aus pflegerischer Perspektive entstehen.

6. Überfordern oder unterforden Sie nicht

Nehmen Sie sich in der Pflege von depressiven Patienten nicht zu viel vor! Lieber an kleinen Dingen festhalten wie “Ich möchte mit Ihnen einmal in den Garten gehen” oder “Ich möchte mit Ihnen gemeinsam einen Kaffee trinken”. Damit sorgen Sie nicht nur für Ausgleich und Entspannung auf Seiten der Patienten, sondern auch für die eigene Entlastung im häufig stressigen Pflegealltag.

Bedenken Sie dabei außerdem, dass eine ausgiebige Form der Selbstpflege die wichtigste Voraussetzung dafür darstellt, um mit depressiven Menschen zu arbeiten. Als Pflegender muss ich genügend Energie tanken, um mit den negativen Gefühlen standzuhalten und aus der Distanz immer wieder Nähe herzustellen.

Kleine Pausen, der Gang an die frische Luft oder das gemeinsame Kaffeetrinken mit Patienten stellen wichtige Momente der Muße und Entspannung dar, um wieder Energie zu tanken!

Quellenangabe zum Titelfoto:

Foto: Claudia Piscatelli / www.flickr.com

Christian Müller-Hergl ist Philosoph und Theologe. Er arbeitet u. a. als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Dialog- und Transferzentrum an der Universität Witten-Herdecke. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Themen Demenz und Gerontopsychiatrie. Er ist zudem strategischer Leiter und Trainer für Dementia Care Mapping-Verfahren, eine ursprünglich von Tom Kitwood und Kathleen Bredin in England entwickeltes personenzentriertes Evaluations- und Beobachtungsverfahren. Kontakt: Christian.Mueller-Hergl@uni-wh.de.

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