Quo Vadis Demenz? Einfluss des Lebensstils auf demenzielle Erkrankungen

Die Geschichte von Peter und Mark. Inwieweit kann ein gesunder Lebensstil dazu beitragen, eine Demenz wie Alzheimer vorzubeugen? Und was verstehen wir überhaupt unter einem solchen Lebensstil? Dies soll in diesem Beitrag von Marcus Klug anhand eines fiktiven Gesundheitsporträts zweier Brüder näher beleuchtet werden.

Dies ist mein letzter Beitrag für das Dialogzentrum. Heute schreibe ich mal zum Abschluss in der “Du”-Form.

Was wünscht du dir, wenn es um das Thema Demenz geht? Menschen wünschen sich immer eine möglichst schnelle Lösung, wenn es Probleme gibt. Bei Alzheimer wäre das beispielsweise die Wunderpille.

Sobald du also Alzheimer hast und diese Pille nimmst, bist du geheilt!

Wie du vermutlich weißt, gibt es seit vielen Jahrzehnten Forschungen dazu. Auch die Pharmaindustrie wünscht sich natürlich, dass endlich so ein Mittel gefunden wird.

Aber bis dato gab es diesen Durchbruch leider noch nicht …

Es gibt also keine kurzfristige Lösung für das Problem Demenz, etwa für die erfolgreiche Bekämpfung von Alzheimer.

Also wird die Frage danach, was du bereits im Vorfeld unternehmen kannst, um diese “schreckliche Krankheit” vorzubeugen, zunehmend relevanter.

Ich weiß, dass ich gerade “schreckliche Krankheit” gesagt habe.

Denn irgendwie tue ich mich sehr schwer damit, dieses Phänomen zu beschönigen und einfach so zu tun, als ob wir es eigentlich mit überhaupt keiner Krankheit zu tun haben. Dass es sich doch an sich ganz gut damit leben lässt …

Also: Was kann man schon weit im Vorfeld unternehmen, damit man überhaupt keine Demenz im Alter bekommt? Und welche Faktoren spielen dabei eine leittragende Rolle?

Spielen wir das Ganze einmal anhand eines Beispiels durch.

Die Geschichte von Peter und Mark oder wie kannst du eigentlich leben, damit du niemals eine Demenz bekommst …

Der eine Bruder heißt Peter, der andere Mark.

Peter war schon als Kind sehr fleißig in der Schule. Und so machte er auch später sein Abitur mit hervorragenden Noten.

Danach studierte er Linguistik, verbrachte einige Jahre im Ausland. Und schreibt und spricht zahlreiche Sprachen.

Da er immer so ehrgeizig war, schaffte er es auch relativ schnell, Professor für Linguistik zu werden. Und das mit 35 Jahren!

Die Linguistik ist übrigens eine der großen Hauptdisziplinen der Sprachwissenschaft.

Der Bruder von Peter  Mark  ist dagegen eher praktisch veranlagt.

Und daher beschäftigte er sich schon als Kind mit Holz und baute ziemlich viele Dinge.

Später machte er dann eine Lehre als Tischler, anschließend seinen Meister und danach leitete er einen Betrieb mit sechs Angestellten.

Rein vom Lebensstil betrachtet, gibt es zwischen diesen beiden Brüdern größere Unterschiede.

Peter läuft regelmäßig als Abwechslung zu seiner geistigen Arbeit.

Gelegentlich gönnt er sich zwar ein Gläschen Wein, aber ansonsten lebt er diesbezüglich doch relativ enthaltsam.

Außerdem ist er verheiratet und hat zwei Kinder.

Bei Mark sieht es hingegen ein wenig anders aus. Schon zu Zeiten seiner Lehre wurde doch relativ viel getrunken.

Es war einfach “normal”, auch gelegentlich während der Arbeit hier und da ein Bier zu trinken …

Mit der Zeit kam dann noch das Rauchen hinzu. Und da Mark sich eh schon relativ viel in seiner Arbeit bewegte, las er in seiner freien Zeit zur Abwechslung lieber viele Bücher.

Auch er war einmal verheiratet; hat allerdings keine Kinder.

Die Ehe war zerrütet, also entschied man sich zur Scheidung.

Was sind nun die Einflussfaktoren im Lebensstil, was die Vorbeugung von Demenz anbelangt?

Du ahnst es wahrscheinlich schon …

Ich möchte sie dir aber trotzdessen einmal nennen. ;-)

Das sind die Risikofaktoren:

  • Wenig Bildung und geistige Aktivität
  • Verlust des Hörens im höheren Alter
  • Nervosität und Anspannung
  • Depression
  • Fettleibigkeit und schlechte Ernährung
  • Rauchen
  • Wenig Bewegung und Sport
  • Wenig sozialer Austausch im Alter
  • Vereinsamung
  • Diabetes

Sicherlich gibt es noch einige mehr …

Nach diesen Risikofaktoren, die ich aus der Lancet-Studie entnommen habe (siehe Quellenangaben unten), gibt es bestimmte Lebensstilfaktoren, die sich auf das individuelle Krankheitsrisiko auswirken.

Und man kann diese Faktoren auch näher gewichten.

Zunächst einmal sollten wir dabei zwischen der frühen, der mittleren und der späten Lebensphase unterscheiden.

Dann sieht das in etwa so aus:

  • Frühe Lebensphase: Bildung bis mindestens 15 Jahre
  • Mittlere Lebensphase: Bluthochdruck, Fettleibigkeit, Gehörverlust
  • Spätere Lebensphase : Depression, Diabetes, Bewegungsmangel, Rauchen, wenig soziale Kontakte

Und dann werden diese Faktoren in dieser Studie auch noch weiter gewichtet.

Rein von der prozentualen Verteilung aus betrachtet, sind die folgenden drei Punkte die größten Risikofaktoren:

  • Der Verlust des Hörens im mittleren Alter (9 %)
  • Ein geringer Bildungsgrad, vor allem in der frühen Lebensphase, also eher schlechte schulische Bildung (8 %)
  • Regelmäßiges Rauchen (5 %)

Warum ist jetzt aber Peter an Alzheimer erkrankt und nicht Mark?

Die genannten Faktoren können potenziell nur ein Drittel aller Demenzerkrankungen verzögern oder vermeiden.

Die anderen zwei Drittel bleiben also trotz dieser Einflussfaktoren ein Risiko.

Deshalb lassen sich diese Daten auch nicht wirklich auf die Präventionsempfehlungen für eine einzelne Person beziehen.

Ich kann dir jetzt also an dieser Stelle leider nicht genau sagen, dass du einfach soundso leben musst und dann bekommst du auch garantiert kein Alzheimer. ;-)

Weil das einerseits etwas mit deinem individuellen Lebensstil zu tun hat, andererseits aber auch mit erblichen Anlagen und Umweltfaktoren zusammenhängt.

Es sind nur Tendenzen. Und es kommt selbstverständlich auch auf die Kultur an.

Da es sich beispielsweise bei der Lancet-Studie um eine US-amerikanische Studie handelt, wird der Fokus beispielsweise auch mehr auf schlechtere Bildung im frühen Alter gelenkt.

Wenn du diesen Beitrag bis dato wirklich aufmerksam gelesen hast, wirst du vor diesem Hintergrund auch bereits über die Zahl 15 gestolpert sein.

“Bildung bis mindestens 15 Jahre”

Unser Bildungssystem sieht aber anders aus!

Welche Faktoren gibt es, die wir eher nicht beeinflussen können?

Menschen mit dem ApoE4-Allel haben ein stark erhöhtes Alzheimerrisiko, und zwar von Geburt an.

Dieses Gen ist also der größte bislang bekannte genetische Risikofaktor für die spätmanifeste Form der Alzheimer-Demenz.

Es ist aber nicht gleich schicksalhaft mit dem Auftreten von Alzheimer verbunden.

Obwohl das bei Peter so war …

Dieser genetische Faktor bedeutet nur, dass das Risiko, im späteren Alter an Alzheimer zu erkranken, deutlich höher ist als bei anderen Personen!

Am Ende dieses Beitrags lässt sich also Folgendes sagen.

Wir sollte in verschiedenen Lebensaltern stärker darauf achten, wie unsere Gewohnheiten aussehen.

Das bedeutet beispielsweise, dass wir gerade im mittleren Alter mehr darauf achten sollten, nicht mehr zu rauchen!

Oder im späteren Alter auch weiterhin für ausreichend soziale Kontakte zu sorgen!

Und dir ist dabei sicherlich auch folgendes klar.

Es macht nur wenig Sinn, zu versuchen, sein Leben gleich in ganz unterschiedlichen Bereichen komplett umkrempeln zu wollen, wenn man schon länger das Gefühl hat, dass es einige schlechte Gewohnheiten gibt, die man lieber abschaffen möchte!

Das wird nämlich in der Regel nicht funktionieren …

Das ist so ähnlich wie die guten Vorsätze für das neue Jahr!

Das kennst auch du sicherlich nur allzu gut …

Die meisten von uns scheitern nämlich deshalb regelmäßig an diesen Vorsätzen, weil sie sich einfach zu viel vorgenommen haben und nicht wirklich konzentriert und diszipliniert an der Umstellung einzelner schlechter Gewohnheiten arbeiten.

Fazit: Wie du neue gesundheitsfördernde Gewohnheiten endlich in deinen Alltag integriert bekommst!

Das Einführen einer neuen Gewohnheit erfordert eine gewisse Zeit, bis du diese neue Gewohnheit zur Regel machst.

Es gibt dazu in der Wissenschaft zwar unterschiedliche Aussagen (je nach Gewohnheit), aber zwei bis drei Monate Zeit sind dafür doch ein gutes Richtmaß!

Nehmen wir beispielsweise an, dass du schon länger das Gefühl hast, über zu wenig soziale Kontakte zu verfügen.

Dann würde die Übung darin bestehen, mindestens über einen Zeitraum von drei Monaten einmal, zweimal oder dreimal pro Woche Kontakt zu neuen Personen aufzunehmen oder ältere Beziehungen wieder zu beleben.

Auch wenn es am Anfang zu Rückschlägen kommen mag …

Die Kunst besteht darin, durchzuhalten!

Ich habe dieses Experiment erst vor einiger Zeit konsequent durchgeführt.

Ja, und was soll ich sagen?

Es gab selbstverständlich auch bei mir zunächst einige Rückschläge …

Aber dann stellten sich die ersten Erfolge ein und ich bin bis heute am Ball geblieben. ;-)

DAS HAT SICH WIRKLICH SEHR GELOHNT!

Weiterführende Links

Quellenangabe zumTitelfoto:

portrait-of-man-showing-emotions / Photo on VisualHunt

Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.

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