Seit einiger Zeit ist ein Wandel in der Informations- und Wissensvermittlung zu beobachten, denn immer häufiger erfolgt diese nicht mehr ausschließlich über Texte, sondern setzt verstärkt auf Text-Bild-Kombinationen, wie Sachcomics und Infografiken. Marcus Klug hat diesen Anlass dazu genutzt, sich einmal danach umzuschauen, welche Comics und Infografiken aktuell zum Schwerpunkt Demenz im Netz zu entdecken sind.
In dem Ratgeber und Bilderbuch “Mit dem schwarzen Hund leben. Wie Angehörige und Freunde depressiven Menschen helfen können, ohne sich dabei selbst zu verlieren”, erzählt Matthew Johnstone, der selbst über viele Jahre als Kreativdirektor in renommierten Werbeagenturen in Sydney, San Francisco und New York gearbeitet hat, die Geschichte seiner Depression. Dabei ist dieses Buch ein ganz besonderes Buch, was die Vermittlung von persönlichen Erfahrungen im Umgang mit dieser Krankheit anbelangt: eine herausragende Kombination von Bildern und Texten. In diesem sehr persönlichen Ratgeber und Bilderbuch taucht die Depression in der Form eines schwarzen Hundes auf. “Angehörige leben im Schatten des schwarzen Hundes”, sagt Johnstone, was diese Analogie anbelangt.
Auch bei Demenz kennen wir diese Erfahrung nur allzu gut: Denn auch hier werden wir im Umgang mit Betroffenen mit den Schattenseiten konfrontiert. Das Oberhaupt der Familie, der alte Vater, erkrankt an Alzheimer, so beispielsweise die Ausgangssituation in dem Buch “Der alte König in seinem Exil” von Arno Geiger. Geiger hat so ähnlich wie Johnstone seine persönlichen Erfahrungen als Autor verarbeitet, nur eben nicht aus der Sicht des Betroffenen, sondern aus der Perspektive des anteilnehmenden Sohnes, der die Schatten an seinem Vater bemerkt: Wie der Vater plötzlich fremde Kleider anzieht, in fremden Betten schläft oder von seinen Stürzen ständig Verletzungen an Knien und Kopf von sich trägt.
Das Buch von Johnstone ist zugleich auch eine Übung in mehr Gelassenheit – durch Ehrlichkeit, Mitgefühl, Achtsamkeit und so viel Humor wie eben möglich: “Mit dem schwarzen Hund leben” (siehe dazu auch die Bildergeschichte als Video oberhalb dieses Absatzes). Dabei hat die Depression die Ehe von Johnstone mit seiner Frau stark auf die Probe gestellt, die auch selber an der Gestaltung des Buches mitgewirkt hat. Durch diese Erfahrung, durch das Leben mit der Depression – so das Credo des Paares später – wurde gleichsam ein neuer Weg eröffnet, aufeinander zuzugehen, und die Beziehung inniger und reicher werden zu lassen.
Die Gestalt des Wissens im Informationszeitalter
Jetzt fragen Sie sich wahrscheinlich, was die Vorgeschichte von Johnstone mit der Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema Demenz zu tun hat? Zunächst einmal ist dabei vor dem Hintergrund der Demenz- und Versorgungsforschung anzumerken, dass es häufig im Grunde genommen unmöglich ist, die wissenschaftliche Betrachtung von der Versorgungspraxis gänzlich abzukoppeln. Wer beispielsweise wissen will, warum Menschen mit Demenz zuweilen apathisch reagieren und sich stark zurückziehen, wenn sie Bewohner von Pflegeheimen werden, begegnet zumindest als Pflegewissenschaftler in empirischen Befragungen Aussagen von pflegenden Angehörigen, professionell Pflegenden oder auch Medizinern, welche die indidividuelle Krankheitssituation von Betroffenen näher beschreiben und bewerten. Die Literatur kann schon an dieser Stelle ein alternatives Bild von der Situation der eigentlich Betroffenen vermitteln, da sie mit wesentlich mehr Anschauung und Emotionen an die individuelle Krankheitsgeschichte oder an das Fallbeispiel heranführt.
Darüber hinaus gilt für das Informationszeitalter, was die Vermittlung von Wissen über solche Medien wie Bilderbuch, Sachcomic oder den Einsatz von Infografiken anbelangt, dass wir heute angesichts einer Vielzahl von Informationen wesentlich schneller den Überblick verlieren können. Globalisierung und Digitalisierung sind Auslöser, Beschleuniger und wiederum Ergebnis dieser Entwicklung. Das Paradoxe dabei: Die Aufgaben der Wissensarbeiter werden immer diversifizierter und komplexer, ihre Werkzeuge aber immer einfacher. Das kennen wir auch von der Wissensvermittlung beim Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) an der Universität Witten/Herdecke.
So bin ich beispielsweise am DZD für den digitalen Wissenstransfer zuständig, was die Kommunikation von Erkenntnissen aus der Demenz- und Versorgungsforschung an Praktiker und Entscheider aus der Pflege anbelangt. Das ist eine komplexe Art der Wissensvermittlung, während die Werkzeuge immer einfacher werden: Ich kann beispielsweise über eine vorinstallierte Webcam am Computer einen Vortrag halten, diesen wiederum auf einfache Art aufzeichnen und mit Folien aus Powerpoint kombinieren, und dieses Format schließlich weltweit mit Menschen etwa über Slideshare teilen: Dabei ist der Aufwand vergleichsweise gering! Denn noch vor nicht allzu langer Zeit hätte man dafür einen unglaublichen Aufwand betreiben müssen, während heute die Möglichkeiten in der digitalen Wissensvermittlung ungemein größer sind – und das unter dem Einsatz von relativ wenig Mitteln. Was zählt, sind vor allem die Ideen und der Umsetzungswille!
Das Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) setzt verstärkt auf Illustrationen und Infografiken
Seit ungefähr zwei Jahren zeichne ich wieder regelmäßig, was ich früher als Kind und Jugendlicher sehr häufig getan habe. Wenn ich wissenschaftliche Texte lese, bekomme ich durch meine Zeichnungen eine unmittelbare Anschauung, die mir diese Texte so nicht geben können, zumal ich nicht aus der Pflege komme. Ich stelle mir also zunächst eine konkrete Versorgungssituation vor, etwa die mit Frau Meier, die nicht mehr sprechen will, und führe wissenschaftliche Beschreibungen und Analysen mit solchen Zeichnungen zusammen: Ich übe mich also in Synthesen.
Eine ganz andere Idee, die schon mehr in den Bereich einer Infografik geht, und zwar die Idee und Umsetzung eines Informationsplakats, kam mir, als ich das Buch “Der ganz normale Wahnsinn” von den beiden französischen Psychologen Christophe André und François Lelord für den Blog des DZD besprach. In der Psychologie sprechen wir von verschiedenen schwierigen Persönlichkeitsanteilen, die wir auch in der Pflege von Personen mit Demenz bei den Betroffenen und uns selber entdecken können. Also dachte ich mir bei der Gestaltung dieses Plakats: Wie lassen sich die verschiedenen schwierigen Persönlichkeiten, die André und Lelord in ihrem Buch auf sehr reflektierte und humorvolle Weise beschreiben, auf konkrete Pflegesituationen ummünzen?
Comics und Infografiken zum Thema Demenz
Schon ein kurzer Ausflug in die internationale Welt der Wissensvermittlung im Gesundheitsbereich hat zu der Entdeckung von einigen wirklich tollen Fundstücken geführt. Etwa dieser Link. Eine Infografik zu der Beziehung von Musik und Gehirn. In dieser Grafik als Text-Bild-Kombination wird auch das manchmal unglaubliche musikalische Gedächtnis von Menschen mit Demenz angesprochen, die sich – was das Langzeitgedächtnis anbelangt –, zuweilen an die entlegensten Liedern aus ihrer frühesten Kindheit zurückentsinnen können. Ganz erstaunlich fand ich auch folgenden Link: eine Website mit dem Themenschwerpunkt “Grafische Vermittlung von Erkenntnissen aus der Medizin”. Aufgeführt und besprochen werden auf dieser Seite auch mehrere Comics zum Thema Demenz, etwa die grafische Novelle “Tangles: A Story about Alzheimer´s, my Mother and me” von Sarah Leavitt von 2010, die 2013 auch auf Deutsch unter dem Titel “Das große Durcheinander. Alzheimer, meine Mutter und ich” im Beltz-Verlag erschienen ist.
Aber auch andere Fundstücke sind definitiv bemerkenswert: etwa verschiedene Infografiken mit unterschiedlichen Perspektiven zum Thema Demenz. Gefunden habe ich unter anderem die grafische Darstellung von Alzheimer mit Zahlen, bezogen auf US-amerikanische Verhältnisse, oder den möglichen Verlauf von Demenz aus der Perspektive eines Betroffenen als “Landkarte”.
Quellenangabe zum Titelfoto:
Foto: Screenshot aus dem Video / Autor: Matthew Johnstone
Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.