Die Betreuung von Menschen mit Demenz stellt hohe Anforderungen an Angehörige. Häufig wirft die Pflege in diesem Umfeld Fragen und Probleme auf. Um diese Fragen und Probleme zu lösen, ist Beratung notwendig. Aber wie lauten die Qualitätskriterien für demenzspezifische Fachberatung?
Im Rahmen der Landesinitiative Demenz-Service NRW gibt es verschiedene Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen. Neben solchen Themen wie “Niedrigschwellige Angebote” und “Jüngere Menschen im frühen Stadium der Demenz” gab es auch eine Arbeitsgruppe zum Thema “Demenzspezifische Fachberatung”. Diese Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit mittlerweile abgeschlossen. In diesem Jahr wurden ein umfangreicher Abschlussbericht, zwei Poster und eine Kurzbeschreibung zu diesem Projekt veröffentlicht. Teilnehmende der Arbeitsgruppe Beratung waren auf der Seite der Landesinitiative Demenz-Service NRW und dem Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) Arnd Bader, Ingo Behr, Klaus Besselmann, Birgitt Braun, Stefan Kleinstück, Ursula Kreutz-Kullmann, Silke Lua, Bert Schulz und Reinhard Streibl sowie auf der Seite des Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) Nicole Ruppert und Detlef Rüsing.
Ich möchte in diesem Beitrag die Gelegenheit nutzen, kurz auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Beratung zum Thema “Demenzspezifische Fachberatung” einzugehen. Im Anschluss folgen die einzelnen Links zu den Dokumenten zu diesem Projekt, die im Internet frei heruntergeladen werden können.
Demenzspezifische Fachberatung: Worauf kommt es an?
Ich interessiere mich schon seit vielen Jahren für Beratung und Coaching. Beratung ist immer dann gefragt, wenn Probleme und Fragen in einem speziellen Feld auftauchen, die zunächst überfordern oder nicht wirklich realistisch eingeschätzt werden können. In meinem Fall wollen beispielsweise einzelne Personen von mir wissen, wieso man soziale Medien für die Kommunikation von Erkenntnissen aus der Demenz- und Versorgungsforschung nutzen sollte? Insbesondere Personen, die soziale Medien in ihrem Alltag nicht sonderlich intensiv nutzen und auch sonst nur relativ wenig Interesse an digitalen Medien haben, wissen dementsprechend nicht wirklich realistisch einzuschätzen, was man mit derartigen Medien anstellen soll. Mit 170 Zeichen in Twitter kommunizieren? Wozu? Und dann noch im Wissenschaftskontext?
Auf der anderen Seite haftet der Beratung nicht gerade der beste Ruf an. Die Anzahl an Coaches wächst in Deutschland permanent an, da hierzulande prinzipiell jeder als Berater arbeiten kann. Weder ist die Berufsbezeichnung geschützt, noch gibt es derzeit einheitliche Ausbildungsstandards. Das führt zuweilen dazu, dass mancher Berater beispielsweise zu Kommunikationsthemen berät, bis dato aber lediglich zwei Bücher von Friedemann Schulz von Thun gelesen hat, während andere Berater über lange praktische Berufserfahrung und fundiertes theoretisches und methodisches Wissen verfügen, welches zudem in zahlreichen Weiterbildungen und anhand von Zusatzqualifikationen ständig aktualisiert und verfeinert worden ist.
Wenn wir diese Befunde auf demenzspezifische Beratung beziehen, lässt sich auch in diesem Fall zunächst feststellen, dass der Bedarf an Beratung relativ groß ist und wahrscheinlich zukünftig noch weiter ansteigen wird. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass sich die Anzahl an Menschen mit Demenz jährlich vergrößert, auf der anderen Seite sind pflegende Angehörige häufig mit der Versorgung und Betreuung von Menschen mit Demenz in ihrem familiären Umfeld rigoros überfordert; dies gilt tendenziös umso mehr, desto weniger Vorerfahrungen existieren. Denn nicht selten verfügen pflegende Angehörige über keine professionelle Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Demenz und erleben zudem auch das erste Mal die Situation, dass etwa die eigene Mutter an Demenz erkrankt ist.
Relativ schnell wünschen sich Angehörige von Menschen mit Demenz aufgrund von Überforderungen, Fragen und nicht gelösten Problemen, die passende Beratungsleistung. Und gleich sind wir wieder bei der Frage nach den Qualitätsstandards angelangt; also bei unserem Ausgangspunkt: Wenn jeder prinzipiell beraten kann – was dann ebenso im Bereich der Versorgung und Betreuung von Menschen mit Demenz gilt – worauf kommt es dann speziell in diesem Sektor an? Welche Informationen sollen beispielsweise in der demenzspezifischen Beratung weitergegeben werden? Mit welcher Hilfe? Und worin bestehen die Grundqualifikationen eines Fachberaters Demenz?
Mir fallen da jedenfalls ziemlich viele Fragen ein, und genau mit solchen Fragen hat sich die Arbeitsgruppe Beratung intensiv auseinandergesetzt.
Ein paar Kostproben aus dem Bericht zum Thema demenzspezifische Beratung:
Worin bestehen die Grundqualifikationen eines Fachberaters Demenz?
Als Grundqualifikation muss eine demenzspezifische Fachberaterin oder ein demenzspezifischer Fachberater ein Studium oder eine Ausbildung im sozialen Gesundheitswesen mitbringen: Es ist ein Bachelor-/Master-Abschluss oder ein Diplom, z. B. in den Fachbereichen Soziale Arbeit, Sozialpädagogik, Pädagogik, Pflegewissenschaften oder Psychologie erforderlich, um die komplexen Arbeitsaufträge zu bewältigen. Alternativ können z. B. Alten-, Gesundheits- und Krankenpfleger und andere Berufe aus dem Sozial- und Gesundheitswesen mit dem Nachweis entsprechender Zusatzqualifikationen beispielsweise in den Bereichen Kommunikation, Konfliktmanagement, Netzwerkarbeit und Recht ebenfalls als Fachberater tätig werden.
Welche Informationen sollen in der demenzspezifischen Beratung weitergegeben werden?
Es gibt zahlreiche Beratungssequenzen, in denen es um kurzfristig zu realisierende Auskünfte und das Vermitteln von Informationen oder Ansprechpartnern geht. Diese Informationsweitergabe, die meist auf der Basis ganz gezielter, klar eingegrenzter Anfragen entsteht, schließt sich in der Regel direkt an das Clearing an (an die Klärung der weiteren Vorgehensweise; siehe dazu auch die oben angeführte Grafik; Anm. der Redaktion) und erfolgt demnach auch meist telefonisch oder schriftlich.
Eine erfolgreiche Informationsweitergabe verlangt in der Regel ein sehr breites Fachwissen, gute Fähigkeiten im Rahmen demenzspezifischer Recherchen in unterschiedlichen Themenbereichen, gute Kenntnisse der demenzspezifischen Versorgungsstruktur und sehr gute Netzwerkkontakte. Diese Fähigkeiten und Kenntnisse sind auch die Grundausstattung für die folgenden Beratungsmethoden.
Mit welcher Hilfe?
Im Folgenden werden beispielhaft die Berufsgruppen vorgestellt, deren fachliche Expertise eingeholt werden kann.
Ergo-, Physiotherapie, Logopädie
Eine Demenzerkrankung ist in den meisten Fällen eine fortschreitende, unheilbare Erkrankung. Weil es sich also um einen kontinuierlichen Abbauprozess handelt, ist insbesondere den therapeutischen Maßnahmen, die darauf abzielen, Ressourcen so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, ein sehr hoher Stellenwert einzuräumen. Das betrifft sowohl die individuellen kognitiven als auch die koordinativen und körperlichen Fähigkeiten sowie die sozialen Fähigkeiten.
Demenzpatienten bleiben im Prinzip rehabilitationsfähig und das Spektrum geriatrischer Therapie- & Rehabilitationsmöglichkeiten sollte in jedem Fall genutzt und im besten Fall aufeinander abgestimmt werden.
Pflege
Auch die Pflege hat sich in den letzten Jahrzehnten immer weiter professionalisiert und gilt inzwischen sogar als eigenständige wissenschaftliche Disziplin. Die Pflegewissenschaft verfügt über ein breit angelegtes Expertenwissen, das im Rahmen der Begleitung von Menschen mit Demenz praktisch nutzbar gemacht werden muss. Deshalb sollte eine demenzspezifische Fachberatung immer auch auf die Expertise von Pflegefachleuten und Pflegewissenschaftlern zurückgreifen können.
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Hinweis am Ende: Links zum Download
- Die Kurzbeschreibung zu diesem Projekt gibt es hier.
- Der ausführliche Abschlussbericht “Demenzspezifische Fachberatung. Qualitätskriterien für Aufbau und Weiterentwicklung” mit einem Umfang von 86 Seiten und zahlreichen zusätzlichen Literaturempfehlungen und weiterführenden Informationen gibt es hier.
- Das Poster “Demenzspezifische Fachberatung” gibt es hier.
- Das Poster “Qualifikation der Beratenden” gibt es hier.
Quellenangabe zum Titelfoto:
Foto: Gilles Lougassi / www.fotolia.com
Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.