Gegen 3 Uhr ruft sie mich, sie muss die Erdbeertorte für Sonntag fertig machen. Für sie ist es also Samstag, klar, dass sie da am Abend duschen wollte.
Heute Morgen hat sie wieder ihr Gepäck im Arm. Ich lege den Po trocken und sie hat Durst. Sie trinkt gierig. Sie fragt mich, ob ich alleine bin. Nein Philip (Urenkel der Großmutter; Anm. der Redaktion) und Andreas (ein Freund; Anm. der Redaktion) sind da.
Ich lagere sie später neu mit Andreas zusammen. Danach will sie trinken und verschluckt sich, läuft blau an. Ich habe Angst! Sie entspannt, alles wieder gut.
Bei der Morgenpflege ist Omas steifer rechter Fuß ganz weich und beweglich. Komisch! Das rechte Knie schmerzt auch nicht mehr. Ich schneide ihr die Fingernägel, weil sie sich so stark am Arm kratzt. Im Gegensatz zu sonst, überlässt sie mir ihre Hand ganz locker. Die Hände sind etwas bläulich. Eine Blase am linken Ellbogen hat sich von ihrem Kratzen geöffnet, da läuft nun ständig Wasser raus.
Die Beine sind beim Einreiben ganz warm heute, aber voller Wasser.
Sie liegt nun da mit halboffenen Augen und geöffnetem Mund. In der Juftröhre scheint es irgendeinen Widerstand zu geben, der sie röchelnd atmen lässt.
Sie versucht immer wieder mal, sich zu erheben. Aber sie keine Kraft.
Gegen Mittag ist die bläuliche Verfärbung in den Händen weg. Sie trinkt immer wieder ordentlich viel.
Dann sagt sie, ihr sein schwarz vor den Augen, sie könne nichts sehen. Auch später nicht.
Sie ist auch kaum zu verstehen, die Stimme ist so schwach und die Sprache undeutlich.
Nachmittags will sie einen Becher trinken und etwas Milchreis. Sie lässt sich 4 Löffelchen anreichen. Die Einlage muss gewechselt werden.
Hände und Füße sind wieder kalt. Ich packe sie warm ein. Es röchelt und gurgelt in ihrer Kehle, als würde sie jetzt mit Wasser volllaufen. Unheimlich finde ich es.
Gegen 20.30 Uhr fragt sie mich, ob sie was zu Essen kochen soll. Ich sage nein und frage ob sie etwas essen möchte. Vielleicht Kartoffelsalat. Ja den möchte sie gerne.
Ich reiche ihr einen Löffel voll an, sie nimmt ihn in den Mund und lutscht und schluckt. Dann will sie einen Schluck trinken.
Dann geht nichts mehr:
Sie scheint sich verschluckt zu haben. Sie schnappt nach Luft. Am liebsten möchte ich sie hochheben und den Rücken klopfen, damit sie Husten kann.
Aber sie ist so schwer und bewegt sich nicht. Und sie fühlt sich ganz kalt an. Sie röchelt und röchelt und röchelt. Dann dreht sie die Augen zu mir, ihr kullern 2 Tränen aus den Augen.
Ich heule sowieso schon die ganze Zeit und es kommt mir ewig vor.
Es tut mir so weh, das zu erleben und zu spüren, dass es jetzt vorbei ist.
Über das Gesicht streiche ich ihr und mache ihre Augen zu.
Ich bete das Vater unser für sie und bitte Gott, sie zu sich zu nehmen, weil sie so ein lieber Mensch ist.
Ich gehe zu Philip, der im Zimmer nebenan sitzt und sich nicht herüber getraut hat. Dann rufe ich Andreas an, die Hausärztin, meinen Vater und den Bestatter. Eine kurze Mail an die anderen Familienmitglieder. Ich teile nur den Zeitpunkt mit. Mehr kann und mag ich nicht.
Die Hausärztin sagt, dass sie den Tod erst später feststellen darf und verabredet sich für 22 Uhr.
Der Bestatter sagt, er könne Oma danach abholen oder morgen, wie ich will.
Ich beschließe Oma noch zu waschen und neu einzukleiden. Mich richtig von ihr zu verabschieden.
Andreas kommt. Ich frage mich immer wieder, ob ich es nicht hätte verhindern können. Ob Oma nicht sonst vielleicht schöner gestorben wäre.
Die Ärztin kommt und untersucht die Oma, zeigt wo schon Veränderungen auf der Haut zu sehen sind. Oma atmet aus, als die Ärztin sie umdreht. Die Ärztin sagt nichts zu meiner Sorge. Für sie ist alles in Ordnung.
Oma zu waschen, mit Rosenöl einzureiben und anzuziehen, ohne ihre Mitarbeit und Widerstände, ist so erstaunlich entspannt.
Eine Last fällt von mir ab. Leere kommt auf mich zu. Aber zum Glück bin ich nicht allein.
Das Zimmer aufräumen und gute Nacht Oma.
Text: Katja Hörter