Sie ist müde, röchelt, atmet sehr flach. Hat sich den Katheter rausgezogen.
Nur ein wenig Frühstück . Sie macht einen sehr wahnhaften Eindruck. Sie will unbedingt fahren. Dieter (der Sohn der Großmutter; Anm. der Redaktion) soll sie holen. Damit sie nervt sie den ganzen morgen, so dass ich mittags beschließe sie mit Dieter telefonieren zu lassen. Sie ist nach dem Gespräch etwas beruhigt. Ich habe ihm gesagt, dass es sein könnte, dass Oma ihn unbedingt noch mal sprechen möchte. Irgendwie habe ich das Gefühl, es könnte so weit sein. Er hat aber keine Zeit.
Später am Nachmittag kommt er in der üblich abwehrenden Haltung. Unsicher ist er auch, weil er jetzt wohl auch glaubt, es könnte bald soweit sein. Was will seine Mutter von ihm? Er sitzt bei ihr am Bett und sie wird sehr viel ruhiger und entspannt sich. Er macht ihr Vorwürfe, weil er glaubt, sie hätte seinen Bruder lieber. Ich sitze im Hintergrund und versuche Omas Gefühle zu erklären. Dass ein Sohn, der einem sehr viel Kummer gemacht hat, bei dessen Geburt man fast gestorben wäre, natürlich immer mehr von Sorge begleitet wird, als einer der sein Leben ordentlich lebt. Oma hat sich aber auch sehr viel um Dieters Familie gekümmert. Sie war immer für uns alle da.
Nach einiger Zeit verabschieden sich die beiden.
Oma bleibt bis zum Abend im wechselnden Rhythmus aufgeregt-kurzatmig, ruft und jammert und weint. Dann wieder entspannt und ruhig, wie vor einem letzten Ausatmen.
Sie ruft immer wieder nach Dieter, will höher sitzen, weil sie keine Luft kriegt.
Abends ruft sie nach Dieter, Bärbel (die Schwiegertochter der Großmutter; Anm. der Redaktion) und Werner (noch ein Sohn von der Großmutter; Anm. der Redaktion). Sie sollen reinkommen, das Abendessen ist fertig und schlafen gehen sollen sie.
Sie nickt immer wieder mal kurz ein und ruft dann wieder.
Sie mag eine halbe Banane essen.
Weil ihre Beine so kalt sind, reibe ich die Fußsohlen mit Kupfersalbe ein.
Text: Katja Hörter