Im Interview erläutert Guido Steinke von der VERBRAUCHER INITIATIVE e. V., wie Wissen und Erfahrungen zu solchen Themen wie Demenz und Gesundheit auf relativ einfache Art über Google+ und Skype geteilt werden können.
Vor einigen Wochen interviewte ich Guido Steinke – Verbraucheranwalt und Fachreferent 60+ bei der VERBRAUCHER INITIATIVE e. V. – zu den Möglichkeiten von kommunalen Online-Stammtischen. Steinke hat mittlerweile schon recht viele Erfahrungen mit solchen Stammtischen gesammelt. Entscheidend ist dabei, dass Menschen über dieses Medium ihr Wissen und ihre Erfahrungen miteinander austauschen können, ohne erst ein Seminar besuchen bzw. lange Anreisen mit dem Auto oder der Bahn in Kauf nehmen zu müssen.
Im Interview konzentrierten wir wir uns auf Online-Stammtische zu den Themen Demenz und Gesundheit. Vorab ging es außerdem darum, näher zu erläutern, wie Online-Stammtische praktisch funktionieren und wie diese über Google+ und Skype mit relativ einfachen Mitteln umgesetzt werden können.
Herr Steinke, beim 35. Treffen der Landesinitiative Demenz-Service NRW am 4. Februar 2014 haben Sie die kommunalen Online-Stammtische vorgestellt. Was sind kommunale Online-Stammtische? Warum haben Sie diese im Rahmen des Treffens der Landesinitiative vorgestellt?
Beim letzten Erfahrungsaustausch konnte eine Dame nicht zur Konferenz kommen, da sie ihren Mann zu Hause pflegt. Über Skype und ein Tablet nahm sie aber dennoch teil. Zwar nur zeitlich begrenzt, aber immerhin. Dies brachte mich auf die Idee, damit die Partizipation derjenigen zu stärken, die an die Wohnung gebunden sind, aus welchem Grund auch immer.
Wie sind Sie persönlich in Ihrer Funktion als Fachreferent 60+ für die VERBRAUCHER INITIATIVE e. V. auf die Idee gekommen, derartige Stammtische zu initiieren?
Im Rahmen der Initiative Internet erfahren des Bundeswirtschaftsministeriums (2009 bis 2011, http://www.internet-erfahren.de/) lernte ich bundesweit sehr viele lokale Initiativen kennen, die sich mit der sinnvollen Nutzung des Internet beschäftigen, und die sich regelmäßig treffen, um ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiter zu geben, ehrenamtlich versteht sich. Für diese Menschen wollte ich ein Angebot schaffen, damit sie sich schnell auf den neuesten Wissenstand bringen können, ohne erst ein Seminar zu besuchen. Für die meisten Engagierten ist es ein großer Gewinn, wenn sie zu einem speziellen Thema einen Experten eine Stunde lang befragen können, und das notfalls auch von zu Hause aus.
Welche Erfahrungen konnten Sie bis dato mit den Stammtischen sammeln?
Nur die besten! Die Menschen nehmen gerne Wissen auf und die meisten geben es auch genauso gerne weiter. Oder anders ausgedrückt: Wer Antworten auf seine Fragen erhält, ist motiviert, anderen Fragen zu beantworten. Nichts anderes haben wir mit den Online-Experten-Stammtischen organisiert.
Zu den Stammtischen gibt es auch einen Blog, in dem über verschiedene Themen der Stammtische informiert wird. Wie lassen sich solche Stammtische technisch umsetzen? Welche Erfahrungen konnten Sie bis dato mit den Möglichkeiten von Google+ und Skype sammeln?
Der Blog (http://vi60plus.wordpress.com/) dient nur als Notizbuch oder Sammelstelle für die Mitschriften der Fragen und Antworten. So kann jeder, der teilgenommen hat, aber auch jeder andere die Fragerunden noch einmal in Ruhe nachvollziehen und die Tipps nachlesen.
Das Besondere ist, dass die Experten über Videotelefonie zu den Engagierten kommen, und ihnen gleichzeitig am Bildschirm etwas zeigen. (Diese Funkion heißt Bildschirmpräsentation.) Diese Technik wird von Skype, das zu Microsoft gehört, aber auch von anderen wie z. B. Google angeboten. Skype ist bei der Gruppen-Video-Funktion kostenpflichtig, Googles Hangout nicht. Dafür bezahlen Sie bei Google mit Ihren Daten. Ich wollte den Teilnehmenden auch eine kostenlose Alternative vorstellen.
http://www.youtube.com/watch?v=pwvr_mxApS8
Ältere Menschen, etwa pflegende Angehörige von Demenzbetroffenen, verfügen nicht über die gleiche Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien wie beispielsweise die Digital Natives, jene Generation, die ab 1980 geboren ist. Welche Voraussetzungen müssen vor diesem Hintergrund erfüllt sein, damit auch ältere Menschen von derartigen Medien profitieren?
So viele sind das gar nicht, wenn es jemanden gibt, der die Technik einrichtet:
1. Schnelles Internet, d. h. mindestens ein DSL-Anschluss.
2. Ein Tablet wie das iPad oder das Nexus mit entsprechender App von Skype oder Hangout (oder ein Laptop).
3. Jemanden, der ein Konto für Skype oder Hangout einrichtet und den Nutzern zeigt, wie sie anrufen können oder angerufen werden.
Das funktioniert sogar bei “digitalen Verweigerern”. Ein Zitat: “Internet? Hab’ ich doch gar nicht, ich skype doch bloß…”
Sie bieten auch Stammtische zum Thema “Gesundheit Online” an. Welche Gesundheitsaspekte wurden dabei angesprochen? Wie war die Resonanz?
Diese Stammtische wurden erstaunlich gut angenommen! Ich hatte zunächst meine Zweifel, ob man solche Themen in einer Runde besprechen kann. Die Expertin war aber super. Sie stoppte sofort Fragen, die sich eher für eine Vier-Augen-Beratung eigneten, z. B. zu konkreten (eigenen) Krankheiten. Bei generellen Fragen aber, z. B. zur freien Arztwahl oder den IGeL-Leistungen (IGeL-Leistungen sind privat zu zahlende Gesundheitsleistungen; Anm. der Redaktion), war das Interesse sehr groß. Als Ausgangspunkt hatten wir ein neutrales Portal zur Arzt- und Krankenhaussuche gewählt: http://www.weisse-liste.de/.
Wie stellen Sie sich einen Online-Stammtisch zum Thema “Demenz” vor? Was wäre im Vorfeld zu klären?
Um die Technik kümmern sich am besten andere, die daran Spaß haben. Wenn das Tablet dann aber einmal eingerichtet ist, können damit Angehörige z. B. an Gesprächsrunden oder Veranstaltungen teilnehmen, die sie ansonsten nicht besuchen können.
Auch können Online-Angebote wie http://www.demenz-service-nrw.de/demenz-wegweiser.html vorgestellt werden und man kann zeigen, wie man damit Antworten oder den richtigen Ansprechpartner findet.
Nicht zuletzt können Gruppen von ehrenamtlich Engagierten ihre Fragen sammeln und sich dann eine Stunde lang mit einem Experten dazu austauschen, bei Gesetzesänderungen oder neuen Angeboten. Das wären dann die “klassischen” Online-Experten-Stammtische.
Die Online-Stammtische können auch als ein zusätzliches Beratungsinstrument genutzt werden. Welchen Mehrwert haben solche zusätzlichen Beratungsinstrumente im Vergleich zum Gespräch vor Ort oder zum Telefonat?
Die Vor-Ort-Beratung hat zwei große Nachteile: 1. Man muss erst einmal die Zeit und Gelegenheit haben, in die Beratungsstelle zu kommen. 2. (Und das weiß ich aus eigener Erfahrung aus meiner Zeit als Berater bei der Verbraucherzentrale in Hamburg:) Man hat nie alle Unterlagen dabei, meist fehlt das eine, wichtige Schreiben oder eine entscheidende Information. Zu Hause und vor allem am Internetrechner passiert einem so etwas nicht.
Am Telefon kann man sein Gegenüber nicht sehen, was bei Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung z. B ein großer Nachteil ist. Man kann auch nichts zeigen. Auge und Ohr sind zur Vermittlung von Informationen einfach besser geeignet als nur die Ohren…
Wie wird die Idee der Online-Stammtische in Zukunft fortgeführt? Was ist von der VERBRAUCHER INITIATIVE e. V. geplant?
Zur Zeit laufen Energiestammtische, mit einer Exkursion ins Energie-Kompetenzzentrum nach Kerpen-Horrem (http://www.verbraucher.org/verbraucher.php/cat/53/aid/2463/title/Einladung+%22Energiesparen+zum+Anfassen%22). Ich kann mir auch vorstellen, die Internet-Stammtische bundesweit anzubieten, oder zu weiteren Themen. Das Prinzip ist einfach zu überzeugend. Ich bringe Expertenwissen dorthin, wo Menschen sich zu einem Thema treffen oder wo sie Fragen haben.
Wie kann man sich zum Internet-Tutoren qualifizieren? Was bedeutet Tutor in diesem Zusammenhang?
Der Tutor sollte zum einen die Technik beherrschen und anderen zeigen können, bzw. bei einem reinen Stammtisch Laptop, Beamer und Lautsprecher bedienen. Zum zweiten sollte er eine Gruppe haben oder eine solche zusammen rufen können, die sich zu einem Thema schlau machen und austauschen möchte. Mehr nicht. Es geht also um Technik und Moderation. Unter Umständen kann das auch von zwei Personen übernommen werden.
Das Interview führte Marcus Klug.
Quellenangabe zum Titelfoto:
http://www.nextbillion.net/pubs/images/google-hangout.png
Guido Steinke ist Verbraucheranwalt und Fachreferent 60+ bei der VERBRAUCHER INITIATIVE e. V. (Bundesverband). Er ist außerdem Pilot-Projektleiter der Online-Themen-Stammtische NRW zu solchen Themen wie u. a. Energie und Gesundheit. Kontakt: guido.steinke@verbraucher.org.
Quellenangabe zum Titelbild:
www.nextbillion.net/pubs/images/google-hangout.png
Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.