28.06.2009: Demenztagebuch von Katja Hörter

Dieser Eintrag stellt die Eröffnung zu einer neuen Serie dar: das Demenztagebuch von Katja Hörter. In dem Tagebuch beschreibt und reflektiert Katja Hörter die Pflege ihrer demenzkranken Großmutter in ihrem letzten Lebensjahr: angefangen mit dem ersten Eintrag vom 28.06.2009.

1 Uhr Nachts werde ich wach und muss zur Toilette. Gestern um diese Zeit war Oma auch wach. Sie riss mich aus dem Tiefschlaf und ich konnte länger nicht wieder einschlafen. Heute ist sie ruhig. Gegen 3 Uhr dringt ein leises Rufen in mein Bewusstsein. Ich gehe hin.

Sie sitzt im Dunkeln auf der Bettkante, den Schlüpfer herunter gezogen. Sie will aufs Klo und findet es nicht. Ich mache ihr zunächst die Hörgeräte ins Ohr und setze sie danach auf den Toilettenstuhl. Das Bettlaken ist da, wo sie saß, voller Kot. Ich ziehe das Bettlaken ab und will es auswaschen. Im Waschbecken, geht nicht, besser wäre es im Klo, aber das geht auch nicht, weil sie alles ins Tuch gedrückt hat. Was eine ekelige Sache. Und wie das riecht!

Die Wollunterlage ist auch beschmutzt und die Knierolle ebenfalls. Am besten packe ich gleich alles in die Waschmaschine. Eine neues Laken aufs Bett. Und nun die Oma. Sie sitzt auf dem Stuhl wie ein Häufchen Elend. Ich nehme 2 nasse Waschlappen und ein Handtuch. Mehrmals glaube ich fertig zu sein und finde wieder eine verschmutzte Hautfalte am Bein.

Das Nachthemd muss noch gewechselt werden, und ein neuer Schlüpfer angezogen. Da ist ja auch noch Stuhl drin. Oh je. Ich helfe ihr ins Bett und trete barfuß in einen Rest, der sich auf dem Teppich unsichtbar macht. Oma liegt wieder. Nun muss ich den Toilettenstuhl abwischen und den Topf reinigen. Und den Teppich absuchen.

Oma redet nicht viel, sie ist geschockt. Ich wünsch ihr noch eine gute Nacht, nehm die Hörgeräte raus. Licht aus und raus.

Die Schmutzwäsche muss noch in den Keller. Ich wasche mich gründlich mit Seife. der Geruch verschwindet nicht. Es ist wohl besser, wenn ich mir für so etwas Latexhandschuhe kaufe. Ich gehe auf die Terrasse und atme die frische Nachtluft ein. Mache noch ein paar Fingerübungen am Keyboard um abzuschalten. Der Geruch ist immer noch da.

7.15 Uhr ich werde von einem lauten Rumms wach, Oma ruft mich. Sie ist wieder im Dunkeln und beim Aufstehen umgekippt. Zum Glück rückwärts aufs Bett. Hat sie sich den Kopf gestoßen?

Ich soll beim Pipimachen helfen. Sie zittert total, will sich danach wieder hinlegen.

8.30 Uhr sie ist wie verwandelt, richtig wach, versteht mich.

Wir machen uns hübsch für den Tag, Frühstücken, lesen Zeitung.

Sie sitzt danach im Sessel und döst. Hätte ich es doch vorher gewusst, dann hätte ich eine große Runde Laufen können. Sie sitzt jetzt immer nach links geneigt im Sessel, die rechte Hüfte schonen. Und beim Mittagessen auf einmal auch. Sie isst wenig und lustlos, selbst der Pfannkuchen lässt sie kalt.

Nach dem Mittagsschlaf steht sie alleine auf und geht zum Klo, beschäftigt sich. Ich hätte mir ein paar Stunden frei nehmen können, denk ich.

Abends spielen wir Mensch-ärger-dich-nicht, sie gewinnt wie immer. Mühle strengt sie zu sehr an. Fernsehgucken mag sie nicht. Ich glaube sie versteht die Handlungen nicht mehr richtig. Viele Dialoge und Schnitte sind auch einfach zu schnell.

21.45 Uhr Oma geht schlafen, ich assistiere.

Text: Katja Hörter

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