Über das Thema Gewalt wird nur äußerst selten in der Pflege gesprochen, es sei denn, es handelt sich um extremere Formen von Gewalt. Umso schwieriger war es, Sie zu Ihren persönlichen Erfahrungen zu befragen. Am Ende haben wir aber doch einige Antworten von Ihnen erhalten: Welche Formen von Gewalt erleben Sie? Fühlen Sie sich gut gerüstet im Umgang mit Gewalt?
Vor einiger Zeit hatten wir im Rahmen unseres Videodiskussions-Formats “Das Demenzei des Monats” den Themenschwerpunkt Gewalt.
In unserem Demenzei hatten wir Ihnen vorab zwei Fragen gestellt:
- Welche Formen von Gewalt erleben Sie?
- Fühlen Sie sich gut gerüstet im Umgang mit Gewalt?
Ihre Antworten zur ersten Frage
Es existieren verschiedene Formen von Gewalt. Neben physischen und physischen Formen etwa auch die institutionelle Gewalt. So schrieb uns beispielsweise eine Person von Ihnen, dass Sie Erfahrungen mit dieser Form von Gewalt gesammelt hätten, als Ihr Vater in der Kurzzeitpflege gewesen sei. Obwohl schwere Pflegefehler begangen worden seien, etwa Fehler in der Medikation, wurde Ihre Kritik nicht angenommen. So hatten Sie sofort den Ruf einer schwierigen Angehörigen innegehabt und es wurde Ihnen daraufhin empfohlen, Ihren Vater besser wieder mit nach Hause zu nehmen.
Es fehlt häufig an Supervision, so Ihre Meinung zu dieser Problematik. Pflegende lernen nicht ausreichend, inwieweit Gewalt auch ein Beziehungsproblem darstellen kann. Denn Gewalt geht ja nicht immer nur von der Person aus, die wir pflegen, sondern auch von uns selbst. In der Psychologie sprechen wir diesbezüglich von Abwehrmechanismen, Übertragungen und Gegenübertragungen.
Und Pflegende sind in den Heimen vielfach unterbesetzt, überarbeitet, ausgebrannt, so unter anderem die Beobachtung einer Frau, die häufiger als Seminarleiterin in der Altenpflege unterwegs ist. Pflegende lernen in der Regel keine Deeskalationsstrategien, wenn sich gewaltsame Situationen ereignen, und bekommen wenig Unterstützung bei psychischen Krisen nach Übergriffen durch Erkrankte.
Ihre Antworten zur zweiten Frage
Wer fühlt sich im Umgang mit Gewalt schon gerüstet? Einige von ihnen schrieben uns dementsprechend auch, dass Sie sich nicht ausreichend gut gerüstet fühlen, wenn es um Gewalterfahrungen im Alltag geht. Auf anderer Ebene lautet Ihr Eindruck, dass die Gesellschaft und Politik es häufig einfach so hinnehmen würden, wenn alte Menschen schlecht versorgt werden.
“Alle scheinen es normal zu finden, dass 20 demente Patienten von einer Fachkraft und einer Hilfskraft versorgt werden, dass Zahnprothesen nicht herausgenommen und geputzt werden, Essen nicht verabreicht und Toilettengänge verwehrt bleiben.”
Zugegeben. Das klingt ziemlich desillusionierend. Wie würde hier wohl eine gute Praxis aussehen? Wir wünschen uns daher so wie Sie, dass die Rahmenbedingungen einfach menschenwürdiger ausfallen: für die Betroffenen und die Pflegenden. Und das hat sicherlich auch viel mit dem Faktor Zeit zu tun. Denn Gewalt und Stress nehmen ja bekanntermaßen zu, wenn Menschen unter Druck geraten.
Quellenangabe zum Titelfoto:
Foto: Neil Moralee / www.flickr.com
Detlef Rüsing ist Pflegewissenschaftler und leitet das Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) an der Universität Witten/Herdecke. Rüsing verfügt ebenso über langjährige praktische Erfahrungen in der Alten- und Krankenpflege: Er hat dort über 16 Jahre gearbeitet. Seine Schwerpunkt liegt auf Theorie-Praxis-Transfer. Daneben ist er Herausgeber von “pflegen: Demenz. Zeitschrift für die professionelle Pflege von Personen mit Demenz”. Kontakt: detlef.ruesing@uni-wh.de.
Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.