Das SeKA-Programm: Mehr Achtsamkeit durch minimale Interventionen

Die Pflege von Menschen mit Demenz ist anspruchsvoll und anstrengend. Minimimale Interventionen, die gleichermaßen Körper und Geist beleben und nur wenige Minuten Zeit in Anspruch nehmen, können für Entlastung sorgen. Diese Übungen sind Teil des SeKA-Programms, ein Programm, das alle Körperregionen mit einbezieht und durch regelmäßige Wiederholung zu mehr Achtsamkeit führt, zu mehr konzentrierter Wahrnehmung.

Erste minimale Intervention: Schauen Sie sich das Titelbild zu diesem Artikel möglichst konzentriert für eine Minute an. Sie werden feststellen, dass von diesem Bild eine beruhigende Wirkung ausgeht. Bei der Pflege und Versorgung von Menschen mit Demenz, die häufig anspruchsvoll und anstrengend ist, können minimale Interventionen dabei helfen, den Stressfaktor zu reduzieren und für mehr Achtsamkeit zu sorgen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich selbst habe schon recht viele Achtsamkeits- und Entspannungstechniken praktisch ausprobiert, bei denen ebenso die Wirksamkeit wissenschaftlich überprüft worden ist. Ein Beispiel wäre die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress ReductionMBSR), die ursprünglich von dem Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn entwickelt worden ist. Wer diesen Ansatz praktisch verinnerlichen will, braucht allerdings relativ viel Zeit: Anfängerkurse dauern in der Regel acht Wochen, dazu gehören ein Vorgespräch; acht Termine mit zwei bis drei Stunden sowie einen Übungstag, der auch noch einmal sechs bis sieben Stunden Zeit beansprucht. Außerdem wird empfohlen, während solcher Kurse noch zusätzlich von zu Hause aus weiter zu trainieren: am besten für zirka eine Stunde pro Tag.

Mit Sie mich hier nicht falsch verstehen: Ich finde MBSR an sich eine tolle Sache, nur verstehe ich auf der anderen Seite auch das Argument, dass viele Menschen bei diesem Ansatz bereits an der Zeit scheitern, die für die Verinnerlichung solcher Ansätze aufzubringen ist: Nicht selten ist sogar von Jahren die Rede. Ich erinnere mich vor diesem Hintergrund noch gut an die Worte meiner chinesischen Quigong-Meisterin. Die hat auch immer von Jahren gesprochen. Was wir dabei allerdings dabei nicht vergessen sollten: Streben wir tatsächlich nach einem höheren Bewusstseinszustand, nach mehr innerlicher Leere, oder wollen wir lediglich in Beruf und Alltag für mehr Entspannung und Achtsamkeit sorgen?

Das SeKA-Programm

Ich bin davon überzeugt, dass wir gerade auch bei Konzentrations- und Entspannungsstrategien einen Paradigmenwechsel erleben, was die einzelnen Angebote auf dem Markt anbelangt. Da sich Arbeitsanforderungen vielfach verdichten und immer mehr Flexibilität eingefordert wird, wie wir exemplarisch auch sehr gut an den Arbeitsanforderungen in der der professionellen Pflege von Menschen mit Demenz beobachten können, sehnen sich viele Menschen bei hoher Arbeitsbelastung dementsprechend nach solchen Interventionen, die in der Anwendung möglichst schnell erste Effekte wahrnehmbar machen, die außerdem nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen, die flexibel auf einzelne Belastungsfaktoren anwendbar sind und die obendrein am besten noch an unterschiedlichsten Orten praktiziert werden können.

Ein Programm, welches diesen Anforderungskatalog entspricht, ist das SeKA-Programm. Das Akronym “SeKA” bedeutet “Selbstinstruktive Körper-Achtsamkeitsprogramm”. Zu diesem Programm wurde im Vorfeld eine internationale Literaturrecherche durchgeführt, die dazu diente, den verschiedenen Körperteilen entsprechend diejenigen Übungen zu filtern, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen und vor allem auch auf Alltagstauglichkeit hin geprüft worden ist. Außerdem wurde dieses Programm in einer ersten Testphase von mehr als 600 Probanden evaluiert, bevor es in der Praxis implementiert worden ist. Wir finden in diesem Programm neben einzelnen Bausteinen aus Fitness-Programmen ebenso Elemente aus Qigong und anderen Meditations- und Konzentrationstechniken (Vgl. auch das in diesem Beitrag angeführte Video “The Body Scan Practise” aus dem MBSR-Programm). Der große Vorteil: Beide Elemente werden gleichsam miteinander verknüpft – Bewegung und Konzentration.

Beispiel für eine Übung: die liegende Acht aus dem Programm “Auge”. Stellen Sie sich für eine Minute eine liegende Acht vor und rollen Sie synchron zu dieser Vorstellung Ihre Augen. Das ist vergleichbar mit Quigong, nur dass die Zeitdauer weniger intensiv ausfällt. Sie bewegen Ihren Körper und schließen gleichzeitig Ihre Augen, während Sie tiefer ein- und ausatmen und sich dabei etwas vorstellen, für eine Minute. Ablenkung ist hier kaum möglich, da Bewegung und Vorstellung in der Koordination zusammenlaufen.

Jedes Programm besteht aus fünf bis sieben minimalen Übungen. Und jede Übung dauert maximal zwei Minuten. Insgesamt gibt es neun Programme, wobei jedes Programm gleich aufgebaut ist. Den Anfang markiert eine Wahrnehmungsübung, am Ende wird ent-spannt. Im Programm “Auge” bedeutet das: Sie beginnen damit für maximal zwei Minuten ein Objekt zu fokussieren (Wahrnehmung), Sie bewegen Ihre Augen von links nach rechts und von oben nach unten für maximal eine Minute (Kräftigung), Sie rollen mit geschlossenen Augen eine Acht für maximal eine Minute (Koordination) und schließlich sorgen Sie am Ende zum Ausklang für Ent-spannung. Die Augen kurz zukneifen und dann ausgiebig räkeln.

Die Programme im Überblick:

Jedes Programm: Fünf bis sieben Übungen á maximal zwei Minuten Dauer.

  1. Augen
  2. Kiefer
  3. Nacken
  4. Schulter
  5. Brustkorb
  6. Rücken
  7. Hände
  8. Beine
  9. Füße

Je nach Belastungsquellen und Stressfaktor in Ihrem jeweiligen Beruf, können Sie die einzelnen Programme individuell anpassen und innerhalb der einzelnen Programme bestimmte Übungen auswählen. Menschen, die viel im Büro arbeiten und beispielsweise viele Stunden vor dem Computerbildschirm verbringen, könnten Übungen für die Augen und den Nacken auswählen. Für professionell Pflegende, die in der Versorgung von Menschen mit Demenz arbeiten, bietet es sich dagegen an, neben Übungen für die Konzentrationsfähigkeit auch Übungen gegen Rückenverspannungen zu ergänzen. Sollten sie einmal nur wenige Minuten Zeit haben, so können Sie auch im Extrem lediglich eine Übung praktizieren, denn eine Minute Entspannungspraxis pro Tag ist besser als keine. Das wären lediglich sieben Minute pro Woche! Ist also machbar!

Fazit

Wer nach minimalen Körper- und Entspannungstechniken sucht, die sich mit wenig Aufwand relativ schnell in den Alltag integrieren lassen, ist mit dem SeKA-Programm sicherlich gut beraten. Diese Übungen sind darüber hinaus auch dazu geeignet, im Rahmen von Organisationsabläufen als fester Bestandteil integriert zu werden, um mit vergleichsweise geringem Aufwand für mehr Wohlbefinden und Gesundheit unter den Mitarbeitern zu sorgen. Ganz wichtig dabei: Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen und selber solche Übungen praktizieren!

Weiterführende Literatur:

Fessler, N. (2013): Rasant entspannt: Die besten Minuten-Übungen gegen Alltagsstress. Stuttgart: TRIAS Verlag.

Quellenangabe zum Titelfoto:

Foto: Pascal Pech / www.flickr.com

Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.

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