18.04.2010: Demenztagebuch von Katja Hörter

Kurz nach Mitternacht ruft sie mich und hat Angst. Sie möchte Pipi machen.

Etwas später ruft sie wieder und hat Angst. Ich lasse ihr die Nachttischlampe an, lege aber ein dünnes Tuch drüber, damit es nicht so in die Augen scheint. Sie scheint sehr wach zu sein, ich höre sie im Halbschlaf reden. Das steigert sich bis halb 3. Da ruft sie laut und empört: “da sitzen welche am Tisch”. Das geht ja auch nicht. Ich verscheuche sie. Dann ist Ruhe bis um 6, da hat sie mich lieb. Und redet und diskutiert, telefoniert und ruft laut, dass sie gleich kommt. Das macht mich sauer und ich schimpfe, weil ich doch gerne noch ein wenig Ruhe hätte. Sie will nichts mehr mit mir zu tun haben.

Sie macht auf mich den Eindruck eines brabbelnden Babies. Hat sie erst mal ein Wort gefunden wieder holt sie immer wieder. Findet sie einen Namen, wiederholt sie ihn, bis eine Reaktion kommt. Bei Katja passiert natürlich was, das Wort geht gut.

Etwas später morgens, fordere ich sie erst mal auf Pippi zu machen. Das hilft etwas, sie kommt etwas mehr bei sich. Sie guckt Gottesdienst und wir frühstücken dabei, danach waschen, einreiben usw. Sie schläft danach etwas. Vor dem Mittagessen macht sie auf einmal eine Handarbeit und meint das Stopfgarn sei schlecht.

Das Mittagessen ist ok. Danach schläft sie wieder oder ist still. Ich könnte jetzt 10 Stunden Schlaf gebrauchen. Am Nachmittag arbeitet sie an ihrem Jackenärmel und stopft ein Sockenloch. Ich bringe Kaffe und sie fantasiert herum. Sie räumt Sachen weg, andauernd sind die Hände am Arbeiten oder ich soll was zum Pförtner bringen. Das ist aber schwierig, weil da verschlossene Türen sind…

Das Abendessen ist auch ok, ihr ist etwas schwindelig. Sie muss Pippi und hat Kot in der Einlage. Beim Abendfilm schläft sie ein und lässt sich nicht mehr stören. Ich kann sie nicht bettfertig machen.

Text: Katja Hörter