Männer und Demenz – Literatur und Links

Medien-Empfehlungen rund um das Thema Männer und Demenz. Neben fachspezifischen Beiträgen aus Gesundheit und Pflege haben wir auch solche Quellen ergänzt, bei denen die Bedürfnisse und Wünsche von Männern im Wandel der Zeit eine Rolle spielen. Es erwarten Sie neben wissenschaftlichen Quellen und Links auch Hinweise zu Filmen und Romanen.

Für Einsteiger:

  • Der Roman “Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand” beginnt mit einer Szene, die sich, wir können uns das schon rein altersmäßig wahrscheinlich denken, im Pflegeheim abspielt. Denn jeder dritte 90-jährige Mann hat eine Demenz und wird in diesem hohen Alter nur relativ selten von seinen Angehörigen gepflegt. Bei Jonas Jonasson ist das allerdings alles ein wenig anders. Er lebt zwar im Pflegeheim, hat aber keine Demenz. Und an sich ist er auch noch recht fit. Daher steigt er eine Stunde, bevor die Feier seines 100. Geburtstages im Heim beginnt, aus seinem Fenster heraus und flieht. Was folgt sind Schilderungen allerlei skurriler Erlebnisse aus dem Leben dieses Mannes. Weil Jonasson am Busbahnhof einen Koffer mitnimmt, in dem sich die Einnahmen aus einem Drogengeschäft befinden, sucht bald außer der Polizei auch eine Verbrecherbande nach ihm. Zwischendurch erfahren wir außerdem, was der Hundertjährige früher erlebte, als er die wichtigsten Staatsmänner traf, den USA und der UdSSR zur Atombombe verhalf und den Zusammenbruch des Ostblocks herbeiführte: Forrest Gump lässt grüßen. Wir können dieses Buch auch so lesen: Welche Bedürfnisse und Wünsche haben herausragende Männer, wenn sie älter werden, und wie verändern sich deren Bedürfnisse im Laufe der Zeit?
  • Der originelle Science Fiction-Film “Mr. Nobody” funktioniert auf eine ähnliche Weise wie “Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand”. Erzählt wird die Geschichte eines sehr alten Mannes, diesmal in der Zukunft, der sich selber einbildet erst 35 Jahre alt zu sein, da sein Gedächtnis ihm gewisse Streiche spielt (siehe auch Trailer zum Film unterhalb dieser Aufzählung). In Rückblenden seines Lebens wird im Film anhand von komplexen, miteinander verflochtenen Einzelepisoden durchgespielt, wie sich das Leben dieses Mannes wohl verändert hätte, wenn Mr. Nobody in einzelnen für ihn wichtigen Lebensabschnitten andere Entscheidungen getroffen hätte.
  • Die Generation der heute über 80-jährigen Männer haben noch den zweiten Weltkrieg miterlebt. Viele von ihnen wuchsen allerdings ohne Väter auf, da diese im Krieg waren und nicht selten erst nach Jahren aus der Gefangenschaft kamen oder im Krieg gefallen waren. Viele lernten nie, über das eigene Leid zu sprechen – obwohl sie während des Krieges Kinder und somit Opfer waren – zum “Tätervolk” gehörten. Zu dieser Generation gibt es auch die Website kriegskind.de. Ein wichtiges Werk zu diesem Thema ist sicherlich das Buch “Abwesende Väter”, welches der Psychoanalytiker Hartmut Radebold geschrieben hat. Wesentlich extremer zu den Themen Männer, Kriegskinder und Väter ist das ebenfalls empfehlenswerte Buch “Männerphantasien” des Kulturwissenschaftlers und Musikers Klaus Theweleit. In diesem Buch geht es um Männer, die als Soldaten dienten, und speziell um die Verdrängung der Emotionen und körperlichen Bedürfnisse dieser Männer, die Theweleit unter anderem anhand von zahlreichen Briefen von Soldaten aus den Ersten und Zweiten Weltkrieg analysiert hat, und zwar als “Gefühlspanzer” (siehe zum Thema Männlichkeit im Wandel auch Video-Interview mit Theweleit unterhalb dieser Aufzählung).
  • Wie sehen die Bedürfnisse von Männern aus, die zu der Generation der 68iger gehören? Hat sich das Männerbild in dieser Zeit tatsächlich im Verhältnis zu der Generation der Kriegskinder gewandelt? Dazu habe ich eine interessante Quelle im Netz gefunden: Wir dürfen ja nicht vergessen, dass professionelle Pflege nach wie vor immer noch eher eine Frauendomäne ist, insofern stellt sich auch die Frage der Geschlechterbeziehung in der Pflege. Mit der 68iger-Bewegung verbindet beispielsweise Hans-Joachim Lenz, der das selber höchstpersönlich als Mann miterlebt hat, folgende Erfahrungen: “Der Zeitgeist der 50 und 60er Jahren war sehr wichtig für mich (…) Die erstarrte Normalität, das festgelegte Gehäuse der Hörigkeit wurde erschüttert und ließ die Sehnsucht nach einer humaneren Gesellschaft aufkommen, die viele der damals Aufbrechenden miteinander verband. Vorläufer war die aus den USA kommende Underground-Bewegung der 50er und 60er Jahre. Sie schuf mit ihrem neuen Lebensgefühl, das sich in Kleidung, Musik, Filmen und Literatur ausdrückte, auch ein implizites neues Männerbild, das eher durch eine Anti-Haltung als durch einen positiven Lebensentwurf bestimmt war.”
  • Auch nach dieser Männergeneration bleibt die Frage bestehen, wie sich Männer und deren Bedürfnisse von der Generation der Kriegskinder bis in die unmittelbare Gegenwart verändert haben, und welche Bedürfnisse und Wünsche dabei auch konstant geblieben sind. Einige bemerkenswerte Antworten zu dieser Frage gibt es in dem Sammelband “Neue Männer – Muss das sein?”.  Zu diesem Sammelband heißt es auf socialnet.de: “Jungen, Männer und (Groß-)Väter werden zunehmend als eigenständige gleichstellungspolitische Adressaten und Akteure wahrgenommen. Der Sammelband trägt aus unterschiedlichen Perspektiven zur Debatte um Männlichkeitsbilder, männliches Selbstverständnis und gesellschaftliche Männlichkeitsnormen bei.” Hier der direkte Link zur Buchbesprechung.

Für Fortgeschrittene und Wissenschaftler:

  • In der Forschung, etwa in der Demenz- und Versorgungsforschung, gibt es nur relativ wenig wissenschaftliche Studien zum Thema Männer und Demenz. Der Philosoph und Pflegeexperte Christian Müller-Hergl hat zu diesem Thema einmal einen Basisartikel für die Fachzeitschrift “pflegen: Demenz” verfasst, in dem er auch auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Studien eingeht. Hier der Link zu diesem Beitrag.
  • Ein relevanter Forschungsaspekt bei der Untersuchung von Männern mit Demenz ist die Frage, warum Männer häufiger aggressivere Verhaltensweisen an den Tag legen als Frauen, wenn sie dement sind. Laut einer wissenschaftlichen Studie aus “The Journal of Neuropsychiatry” hängt das unter anderem mit der Ausschüttung von Testosteron zusammen, also mit der Ausschüttung des männlichen Sexualhormons.

Quellenangabe zum Titelfoto:

Foto: Neil Moralee / www.flickr.com

Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.

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