Gewalt und Demenz – Literatur und Links

Medien-Empfehlungen rund um das Thema Gewalt und Demenz. Neben fachspezifischen Beiträgen aus der Forschung haben wir auch solche Quellen ergänzt, bei denen es um die nähere Unterscheidung von Gewalt und Aggression geht. Es erwarten Sie neben wissenschaftlichen Quellen und Links auch Hinweise zu Spielfilmen.

Für Einsteiger:

  • Wer sich ausgiebiger mit der Entstehung von Gewalt beschäftigen will, sollte sich einmal näher mit dem filmischen Werk des österreichischen Regisseurs Michael Haneke vertraut machen. Michael Haneke ist als Filmemacher der “Analytiker der Gewalt”. Ob Filme wie “Funny Games” oder “Das weiße Band” (siehe Trailer unterhalb dieses Absatzes), stets beleuchtet Haneke die Wirkungsmechanismen von Gewalt, wie Gewalt entsteht, aber auch, was die Darstellung von Gewalt mit dem Zuschauer anstellt. Dabei ist Haneke sehr radikal. Es geht nicht um Unterhaltung, sondern um Analyse und Aufklärung, häufig bis zur Schmerzensgrenze. Haneke spart nicht an Zumutungen, er will den Zuschauer zum Nachdenken zwingen!

  • Vor kurzem habe ich mich recht intensiv mit der Frage beschäftigt, worin der Unterschied zwischen Gewalt und Aggression liegt. Hier ein Versuch: Aggressives Potenzial wird durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen gestaltet, gefördert und gehemmt. Menschen verhalten sich aggressiv, wenn durch die äußeren Rahmenbedingungen ein hohes Maß an Stress, Druck und Autorität ausgelöst wird beziehungsweise das Gefühl besteht, nicht integriert zu sein, keine echte Anerkennung und Wertschätzung zu erhalten. Das kann bei Menschen mit Demenz, die etwa in Pflegeeinrichtungen untergebracht sind, häufiger der Fall sein. Der Unterschied zwischen Aggression und Gewalt besteht darin, dass Gewalt keine evolutionsbiologisch bedingte Verhaltensweise repräsentiert. Gewalt wird durch gesellschaftliche und staatliche, zeit- und kulturabhängige Normierungen konstruiert. Die Gewaltausübung einer Organisation kann demzufolge beispielsweise die strukturelle Antwort auf ein Problem mit aggressivem Verhalten darstellen oder mit einer auferlegten, stark fremdbestimmten Ordnung zusammenhängen. In der Pflege von Menschen mit Demenz sprechen wir beispielsweise von der Regel, dass sich eine Person mit Demenz an bestimmte zeitliche Vorgaben in der Strukturierung des Tagesablaufs zu halten hat, etwa an feste Aufsteh- und Essenszeiten, obwohl diese Normierungen unter Umständen stark von dem individuellen Rhythmus einer Person abweichen können (strukturelle Gewalt). Ich habe diese Unterscheidung folgenden empfehlenswerten Buch entnommen: “Aggression und Gewalt: Ein biologischer, psychologischer und sozialwissenschaftlicher Überblick” von Klaus Wahl, erschienen im Spektrum Akademischer Verlag 2012. Hier geht es zu diesem Buch.
  • Ein genauerer Blick auf das Thema Gewalt in der Pflege wird in dem ebenfalls empfehlenswerten Buch “Gewalt in der Pflege” von Jürgen Osterbrink und Franziska Andratsch getätigt. Sie alle wissen, dass in den Massenmedien häufig nur die extremsten Ereignisse von Gewalt, denen dann mit Entsetzen, Unverständnis und schnellen Schuldzuweisungen begegnet wird, thematisiert werden. Aber wie sieht es mit anderen Formen von Gewalt aus, etwa psychische und strukturelle Gewalt, die viel häufiger in der Pflege anzutreffen sind? Die These des Buches: Nur durch eine möglichst frühe Wahrnehmung und das Erkennen erster Anzeichen von Fehlverhalten lässt sich der Gewalt entgegenwirken. Hier eine ausführlichere Besprechung dieses Buches.

Für Fortgeschrittene und Wissenschaftler:

Quellenangabe zum Titelfoto:

Foto: goldmarie / www.flickr.com

Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.

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