Das kleine ABC der Emotionen: Vom Behaviorismus zu den Emotionen_Teil 1

Bei einer Demenz kann das Erkennen von Emotionen gewisse Schwierigkeiten bereiten. Gefühle sind in den Gesichtern von Demenzbetroffenen nicht immer klar erkennbar. Überhaupt verändern sich die emotionalen Äußerungen. In diesem und den darauf folgenden Beitrag beschäftigen wir uns mit der Entwicklung der modernen Emotionsforschung, um auf demenzielle Veränderungen zu schließen.

Wissen Sie, was Behaviorismus bedeutet? “Behaviour” bedeutet Verhalten. Aus behavioristischer Sicht ist der Mensch, wenn er zur Welt kommt, quasi ein unbeschriebenes Blatt. Nach der Vorstellung der Behavioristen wird jegliches Verhalten durch Erfahrungen mit der Umwelt erlernt und nicht angeboren. Was sich in der inneren Psyche eines Menschen abspielt, interessiert die Behavioristen nicht. Forscher sprechen in diesem Zusammenhang daher auch von einer “Black Box”. Der “schwarze Kasten’” macht eine äußerliche Beobachtung der innerpsychischen Vorgänge unmöglich. Ein Reiz führt in die Black-Box (Input) und eine Reaktion ist das Ergebnis (Output). Die Zwischenschritte (innere Prozesse im menschlichen Gehirn, Bewusstsein) bleiben jedoch verschlossen.

Der prominenteste Vertreter dieser Strömung war in den 1950iger Jahren Frederic Skinner, amerikanischer Psychologe. Skinner war davon überzeugt, dass sich das Verhalten des Menschen auf Reiz-Reaktions-Muster (Stimulus-Response) zurückführen ließe. Der Pawlosche Reflex aus den Tierversuchen stand bei dieser Vorstellung Pate. Skinner war auf der Suche nach dessen menschlicher Entsprechung.

Sie haben sicherlich schon einmal von dem Pawloschen Hund gehört: Der russische Physiologe Iwan Petrowitsch Pawlow vermutete, dass bestimmte Geräusche für Hunde mit Fressen verbunden werden. In seinem berühmten Experiment ertönte eine Glocke, wenn dem Hund Futter verabreicht wurde. Nach einer gewissen Zeit wurde auf das Futter verzichtet und der Besitzer löste dennoch bei seinem Hund Speichelfluss aus. Damit erbrachte Pawlow in seinem Experiment den Beweis dafür, dass der akustische Stimulus (das Ertönen der Glocke) von dem Hund mit dem Stimulus “Futter” assoziiert wird.

Skinner setzte derartige Experimente in weiteren Tierversuchen fort, um daraus Rückschlüsse auf das menschliche Verhalten zu ziehen, etwa in der “Skinner-Box”. In diesen Boxen untersuchte er das Lernverhalten von Ratten. Dabei verwendete er verschiedene Boxen (so wie im Video-Beispiel).

Bei diesen Experimenten geht es prinzipiell um die Frage, wie man ein Tier oder einen Menschen durch Reize konditionieren kann. Eine Ratte wird etwa in einer Box mit Futter belohnt, wenn sie den Schalter betätigt. Das führt dazu, dass die Ratte den Schalter häufiger drücken wird. Oder die Ratte bekommt in einer anderen Box einen Stromschlag versetzt, wenn sie den Schalter betätigt. Das führt wiederum dazu, dass die Ratte den Schalter nach einer gewissen Zeit nicht mehr betätigen wird. Das nannte Skinner “operante Konditionierung”, die auch auf den Menschen übertragbar ist.

Die schwarze Pädagogik: Beispiele für verdeckte Konditionierung

Wie weit die Konditionierung bei Menschen im Alltag reicht, sehen wir etwa in der Werbung. So wird beispielsweise die Attraktivität von Models gezielt dazu eingesetzt, ein Produkt besser zu verkaufen. Konditionierung existiert allerdings auch in verdeckter Form: Zahlreiche Beispiele dazu finden Sie etwa in dem Film “Das weiße Band” von Michael Haneke.

In “Das weiße Band” wird die Geschichte einer Dorfgemeinschaft im protestantischen Norden Deutschlands am Vorabend des Ersten Weltkriegs erzählt. In diesem Film seziert Haneke zugleich die dunklen Abgründe der Erziehung am Beispiel dieser Dorfgemeinschaft. Wenn ein Kind in dieser Gemeinschaft etwa dem Vater nicht gehorcht, wird ihm einfach von den Eltern die Zuneigung entzogen. Dieser Entzug kann bereits über kleinste Gesten gegenüber dem Kind erfolgen: Das Kind wird beispielsweise einfach nicht mehr angelächelt, wenn es nicht gehorcht.

Derartige verdeckte Formen von Konditionierung werden auch unter dem Begriff der “Schwarzen Pädagogik” geführt. Diese sind zum Teil auch in der professionellen Pflege anzutreffen, und zwar immer dann, wenn Macht gegenüber Patienten und pflegebedürftigen Menschen missbraucht wird, etwa im Umgang mit Demenzbetroffenen.

Was hat das mit der Emotionsforschung zu tun?

Wenn wir aus der Sicht der Forschung allgemeine Merkmale von Emotionen betrachten, beziehen sich Emotionen wie Trauer und Wut immer auf konkrete Objekte oder Ereignisse, die durch folgende Komponenten gekennzeichnet sind:

  • Erlebenskomponente
  • Physiologische Komponente
  • Verhaltenskomponente

Das heißt, wenn ein Mensch beispielsweise trauert, bezieht sich diese Art von Emotion auf verschiedene Komponenten: Unser Erleben wird durch Trauer bestimmt (Erlebniskomponente), unser Körper reagiert auf diese Emotion (Physiologische Komponente) und unser Verhalten gegenüber anderen Menschen verändert sich durch die Trauererfahrung (Verhaltenskompenente).

Wie würde ein Behaviorist die Emotion Trauer untersuchen?

Vermutlich würde er sich zunächst fragen, welche Reize unter welchen Bedingungen Trauer auslösen. Dann würde er sich in einem nächsten Schritt genauer überlegen, wie ein wissenschaftliches möglichst streng kontrolliertes Experiment dazu aussehen würde. Das Ziel dieses Experiments würde darin bestehen, wissenschaftliche Aussagen und Vorhersagen über Trauer zu treffen. Dabei würden sich diese Aussagen jedoch auschließlich auf bestimmte Verhaltensreaktionen in verschiedenen Versuchsanordungen beziehen.

Fällt Ihnen auf, was daran problematisch ist?

Eine intensive und komplexe Emotion wie Trauer lässt sich nicht einfach auf äußere Reize und Verhaltensreaktionen reduzieren. Es geht auch darum, wissenschaftlich weiter zu erforschen, wie Menschen Trauer individuell erleben, was sich dabei im Gehirn der Menschen abspielt und welche übergeordneten Muster dazu in verschiedenen Kulturen existieren.

All das untersucht der Behaviorismus nicht. Aber diese wissenschaftliche Strömung war (und ist) dennoch für die Emotionsforschung von Bedeutung. Denn Forscher können nur wissenschaftliche Aussagen treffen, wenn sie Emotionen in einzelne Komponenten und Prozesse analytisch zerlegen. Und hier bildet der Behaviorismus in der Erforschung des tierischen und menschlichen Verhaltens eine wichtige wissenschaftliche Strömung.

Ausblick

Im nächsten Teil werden wir uns mit der “Kognitiven Wende” Anfang der 1960iger Jahre beschäftigen und näher auf die Frage eingehen, wie sich die Forschung seit dieser Wende verändert hat und wie Emotionen heutzutage beforscht werden.

Quellenangaben zu den Titelfotos:

Das weiße Band: Ein Film von Michael Haneke / Quelle: http://www.moviepilot.de/files/images/0223/4062/DAS_WEISSE_BAND.jpg

Grafik: Oliver Tacke / Quelle: http://www.olivertacke.de/wp-content/uploads/2012/12/Behaviorismus.png

Profilbild Marcus Klug

Marcus Klug arbeitet aktuell als Kommunikationswissenschaftler und Social Media Manager am Dialog- und Transferzentrum Demenz (DZD) und betreut dort das Projekt Wissenstransfer 2.0. Das Projekt wurde bereits mit dem Agnes-Karll-Pflegepreis 2013 ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt liegt auf Wissenskommunikation im Social Web. Daneben betreibt er als hauptverantwortlicher Redakteur seit Mai 2012 zusammen mit Michael Lindner Digitalistbesser.org: Plattform für Veränderung und lebenslanges Lernen. Kontakt: marcus.klug@uni-wh.de.

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